30 bis 50 Prozent weniger Neubuchungen Viele Ängste Von Barbara Hell Oberallgäu Für Reisekauffrau Ursula Schätzler ist heute ein ganz besonderer Tag: Kommt ihre Immenstädter Kundin, wie geplant, am Freitag von ihrem USA-Aufenthalt zurück? Ist sie wirklich von New York aus per Bus gleich weitergefahren nach Boston oder war sie am Ende während der Terroranschläge doch in der Weltstadt, in der Tausende von Menschen unter den Trümmern des World Trade Centers starben? Zur Sorge um die Allgäuerin kommen die Ängste um die Zukunft des Reisemarkts: Die Konsequenzen für uns sind schlicht verheerend! Über Rückgänge zwischen 30 und 50 Prozent bei den Neubuchungen klagen die Reisebüros. Im Grünten-Reisebüro in Immenstadt herrscht Alarmstimmung: Wenn die Situation noch länger anhält oder gar eskaliert, sorge ich mich um unsere Existenz, macht Ursula Schätzler eine Welle von Stornierungen bereits gebuchter Urlaube Angst. Leute, die nach Zypern, Griechenland oder in die Türkei wollten, nehmen lieber Storno-Kosten von bis zu 700 Mark auf sich, als sich jetzt in ein Flugzeug zu setzen, klagt sie. Das Argument solcher Kunden: Mein Leben ist mir wichtiger als der Urlaub. Etwa 20 Prozent der schon gebuchten Reisen hätten Urlauber abgeblasen, viele andere buchten von vermeintlich kritischen Reisezielen im östlichen Mittelmeer nach Spanien, Mallorca oder die Kanarischen Inseln um. Auch im Oberallgäuer Reisebüro sitzt sich Claus Rauscher in dieser Woche den Hintern platt: Kaum Neubuchungen, 15 Stornos, Umbuchungen von Tunesien, Ägypten und der Türkei nach Spanien. Dass das Chaos bei einem Attentat vier Wochen früher, mitten in der Urlaubssaison, noch viel schlimmer gewesen wäre, ist für ihn nur ein schwacher Trost. Auf dem Last-Minute-Markt geht gar nichts, die Leute warten ab. Etwas andere Erfahrungen hat Hermann Bergner vom Immenstädter Reisebüro Heissler, auf Last-Minute spezialisiert.
Manche ältere Kunden hätten zwar Urlaube in die Türkei oder Tunesien storniert. Die Jüngeren aber warteten im Gegenteil vor allem für Fernreisen in Ruhe ab, bis es billiger wird. Neubuchungen sind auch bei Heissler die Ausnahme: Viele beobachten erst einmal die weitere politische Entwicklung. Ein Schild mit der Aufschrift Keep cool, also Ruhig bleiben, will Alexander Huber vom Reisebüro In Via in Hindelang ins Fenster stellen: Wenn sich die Lage dramatisch zuspitzen sollte, gibt das Auswärtige Amt Warnungen vor bestimmten Zielen heraus. Solange das nicht passiert, sollten wir uns vom Reisen nicht abbringen lassen, sonst haben die Terroristen erreicht, was sie wollten, nämlich dass die Weltwirtschaft zum Erliegen kommt, mahnt er zu Besonnenheit. In Oberstaufen wurden bei den Reisebüros Stefan und Hölzler sogar Flüge in die USA nur in einem einzigen Fall storniert. Wir hatten zwar einen hohen Beratungsaufwand, aber gebuchte Reisen wurden auch angetreten, berichtet Reiseverkehrskauffrau Birgit Hochlenert. Die Leute zögern und warten ab, was jetzt geschieht, spricht Sabine Hölzler von einer sehr zurückhaltenden Nachfrage. Trotzdem bleibt sie gelassen: Die Gastronomen, die immer im November in Urlaub fliegen, brauchen die Erholung und lassen sich nicht abhalten. Während des Golfkriegs folgte auf das Tief doch auch bald die Normalisierung, sieht sie nicht allzu schwarz in die Zukunft.