Seit zwei Jahren bietet die Kemptener Hochschule einen einzigartigen Studiengang an. In ganz Europa gibt es nichts Vergleichbares. Hier, im Allgäu, zwischen Braunvieh und Bergen, lernen die Studentinnen und Studenten im Studienfach 'Game Engineering', wie man Computerspiele entwickelt. 'Von A-Z' sagt der Studiengangsleiter und Entwickler Prof. Dr. Tobias Breiner.
75.167 Jahre. So viel Zeit haben rund 28 Millionen Gamer auf der Plattform Steam mit Computerspielen verbracht. Alleine in den letzten zwei Wochen. Über 2,6 Milliarden Euro setzte die Spielebranche im vergangenen Jahr in Deutschland um. Etwas mehr als die Fußball-Bundesliga.
Trotz des negativen Images sind es unglaubliche Zahlen, die das Phänomen Gaming hervorbringt. Und regelmäßig giert die kaufkräftige Zielgruppe nach neuen Spiele-Blockbustern, die von Spezialisten entwickelt werden. Die sollen in Zukunft nicht mehr nur in San Francisco und New York ausgebildet werden, sondern eben auch in Kempten.
Wir lehren hier das, was in der Spiele-Industrie wirklich gebraucht wird, sagt Professor Dr. Tobias Breiner, den seine Studenten schlicht Tobi nennen. In schwarzem Shirt, verwaschenen Jeans und Stiefeln hält er seine Vorlesung. Er gibt kurze Anweisungen, den Rest müssen die angehenden Spiele-Entwickler selbst erarbeiten. Die Aufgabe: Seine Schützlinge sollen einen virtuellen Leuchtturm entstehen lassen. Schon das wäre für den Laien schwierig. Richtig kompliziert wird es aber, wenn man versteht, dass die Studenten den Leuchtturm nicht als 3D-Bild entwerfen, sondern dem Computer per Code-Zeilen 'beibringen’, den Leuchtturm zu designen. Mit dieser Technik können sie virtuelle Welten etwa 20 Mal schneller erzeugen als es mit früheren Verfahren möglich gewesen wäre.
Das mache eben das Engineering (Ingenieurwissenschaftliche) im Namen des Studienfachs aus, sagt Prof. Dr. Breiner. Die Welt in Computerspielen hat viel mit den realen Naturwissenschaften zu tun. Blumen müssen sich im virtuellen Wind richtig bewegen, Gebäude den korrekten Schatten werfen. Das heißt für die angehenden Spiel-Ingenieure vor allem: Mathematik und Physik büffeln, dabei aber auch kreativ arbeiten.
Die Studenten lernen weniger über die Entwicklung der Geschichte des Spiels oder die Ausarbeitung der Charaktere, sondern mehr über Technik und Animation. Das Studium in dieser Form ist einzigartig in Europa, sagt Prof. Dr. Breiner. Deshalb kommen selbst Studierende aus den USA zu uns nach Kempten. Der Wunsch von vielen der etwa 250 Game-Engineering-Studenten: Das Hobby Zocken zum Beruf machen.
Viele sind emotional sehr verbunden mit Computer- und Konsolenspielen und sind damit aufgewachsen. Sie sind sich aber oft nicht bewusst, wie viel Arbeit wirklich in einem gut ausgearbeiteten Spiel steckt, erzählt Prof. Dr. Breiner. Und auch der noch immer schlechte Ruf von Computerspielen kann für angehende Spiele-Entwickler anstrengend sein.
Lange Zeit wurden Computerspiele vernachlässigt, sie hatten nie eine gute Lobby, sagt 'Tobi’ Breiner. Das sei auch einer der Gründe, warum es diesen hochspezialisierten Studiengang nur in Kempten gibt. Schlicht und ergreifend weil ihm hier, zwischen Kuh und Berg, die Chance geboten wurde, so ein spezielles Studium zu entwickeln. Während andere Hochschulen das Thema vielleicht etwas verschlafen haben.