"Natürlich ist die Welt komplexer geworden. Aber vor 30 Jahren hatten wir auch keine Idylle." Der Psychologe Peter Seider als Leiter der Erziehungsberatungsstelle in Marktoberdorf und Füssen weiß, wovon er spricht. Denn seit Ende 1978 wurden Tausende von Kindern von dieser Einrichtung der Katholischen Jugendfürsorge im südlichen Landkreis betreut. Die Fälle, in denen Eltern mit ihren Kindern sich für das Angebot der psychologischen Beratungsstelle für Erziehungsfragen, Jugendliche und Familien anmelden, stiegen von rund 140 pro Jahr auf nun rund 350 - bei gleichbleibender personeller Besetzung.
Meist vier bis fünf Gespräche
Um das zu bewältigen, habe man die Arbeit verändert, erklärt Seider, zu dessen Team für die Beratungsstellen in Marktoberdorf und Füssen zwei Sozialpädagogen und eine Psychologin sowie zwei Sekretärinnen gehören. In den Anfangsjahren bekamen Kinder zum Teil 80 Termine über mehr als zwei Jahre verteilt. In der Regel werden nun nur fünf bis zehn Termine pro Familie vereinbart.
Erreichen konnte man dies durch eine stärkere Ausrichtung der Arbeit auf die gesamte Familie - und nicht nur auf das einzelne Kind. Die Arbeit der Beratungsstelle wird zudem oft verknüpft und ergänzt durch andere Angebote beispielsweise von Ergotherapeuten, Kindergärten, Schulen oder Kinderärzten.
Trotz vielfältiger Änderungen in den vergangenen 30 Jahren blieben viele Probleme dennoch gleich: "Schon damals gab es Kinder, die durch aggressives Verhalten aufgefallen sind", so Seider. Auch Aufmerksamkeitsdefizite (ADS/ADHS) seien nichts Neues, nur die Begriffe und die Häufung der Probleme habe sich geändert.

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Konflikte bewältigen
Der Erstkontakt mit der Beratungsstelle komme meist zustande, wenn "ein Kind nicht den Erwartungen von Eltern oder Lehrern entspricht". Ein Kind fällt in der Schule durch sein Verhalten oder schlechte Noten auf und die Eltern suchen Hilfe. In Gesprächen mit Eltern und Kind geht es darum, Lösungen zu finden. Trennung und Scheidung der Eltern oder andere familiäre Konflikte spielen dabei oft eine große Rolle. Auch Entwicklungsauffälligkeiten und seelische Probleme sind ein wichtiges Thema. Seider: "Wenn ein Kind Probleme macht, dann hat es Probleme."
Dabei gelten für die Arbeit sehr wichtige Prinzipien: Alle Mitarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Hilfesuchenden sollen freiwillig kommen und alle Angebote sind für die Nutzer kostenlos. So ist die Beratung für alle Familien leicht und schnell erreichbar.
Möglich ist das kostenlose Angebot durch Steuergelder. Denn rund 90 Prozent des Geldes erhält der Träger vom Freistaat und vor allem vom Landkreis, der damit eine Pflichtaufgabe wahrnimmt. Offen steht die Einrichtung aber allen, die Hilfe suchen - unabhängig von der Konfession.