Manche nennen ihn immer noch verächtlich einen Schlagersänger. Doch diese Charakterisierung trifft auf Udo Jürgens - sofern sie überhaupt einmal gepasst hat - längst nicht mehr zu. Viel zu gewichtig sind seine Kompositionen, viel zu tiefsinnig und bisweilen gesellschaftskritisch seine Texte. Vielleicht könnte man ihn einen Liedermacher nennen - oder einfach einen guten Unterhaltungskünstler. Auf Englisch hieße das dann Singer-Songwriter und Entertainer.
Jedenfalls ist der Sänger, Pianist und Komponist, der im September 75 Jahre alt wird, einer von denen, die sich über Jahrzehnte hinweg im Musikbusiness halten können. Wenn der Mann, der mit bürgerlichem Namen Udo Jürgen Bockelmann heißt, in zehn Tagen auf der Bühne der Big Box Allgäu in Kempten vor fast 4000 Zuschauern auftritt, kann er auf eine über 40-jährige Karriere zurückblicken, in der es so gut wie keinen Bruch gegeben hat. Mit "Merci Chérie" erreichte er 1966 beim Eurovision Song Contest den ersten Platz - das bedeutete den internationalen Durchbruch.
Seither gab es kaum ein Jahr, in dem Udo Jürgens nicht ein Album herausgebracht, einen wichtigen Preis gewonnen hat, nicht auf Tournee gegangen ist. 1000 Lieder hat er komponiert, 100 Millionen Platten gingen über den Ladentisch.
Musikalisch lief alles glatt, privat allerdings war der Weg des Udo Jürgen Bockelmann, der 1934 in Kärnten geboren wurde, steiniger. Zahllose Affären hatte er. Zweimal war er verheiratet: von 1964 bis 1989 mit dem Fotomodell Erika Meier (genannt Panja) und von 1999 bis 2006 mit Corinna Reinhold, die zuvor lange Zeit seine Geliebte gewesen war. "Das private Glück, mit Heim und Herd, einer Ehefrau und Kindern auf dem Schoß - dieses Glück habe ich nie in der letzten Vollendung erreicht", bilanzierte er vor einiger Zeit in einem Interview.
Er habe es zweimal mit der Ehe probiert und sei nicht richtig glücklich geworden. Und als Frauenheld, so sagt er offen, dürfe man ihn auch nicht sehen. "Man kann die tollsten Frauen der Welt haben, aber das öffnet noch keine einzige Tür zum Glück." Inzwischen genieße er es, morgens allein im Hotelzimmer aufzuwachen und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen.
Wohnung in Dorf bei Zürich
In Österreich wuchs Udo Jürgens auf, in Deutschland feierte er seine größten Erfolge, in der Schweiz lebt er. Lange Zeit wohnte er in einer luxuriösen Dachwohnung in Zürich, angeblich mit Blick auf den See und in die herrliche Bergwelt. Dort hat er nach wie vor sein Studio, aber er lebt inzwischen in Zumikon, einem 5000-Einwohner-Dorf einige Kilometer südöstlich von Zürich.
Ein reizender Ort für ein Rentnerleben. Doch Udo Jürgens ist offenbar kein bisschen müde. Er, der einst sang "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an", hat mit 72 Jahren noch ein Musical auf den Markt gebracht: Ich war noch niemals in New York". 2007 war das, in Hamburg.
Nun bringt er - auf einer ausgedehnten Tournee - sein neues Album unter die Leute. "Einfach ich" hat er es genannt. Versammelt sind da nicht nur nachdenkliche Selbstbetrachtungen wie der Titelsong, sondern auch eine gesellschaftskritische Satire wie "Tanz auf dem Vulkan". In diesem Stück setzt er sich mit dem Klimawandel auseinander.
Damit zeigt er einmal mehr, dass er kein netter Schlagersänger ist, sondern ein gewichtiger Singer-Songwriter auf der Höhe der Zeit.
Das Konzert in der Big Box ist ausverkauft. Wer Udo Jürgens und das Orchester Pepe Lienhard dennoch live hören will, hat dazu am 27. Oktober (20 Uhr) in Ravensburg (Oberschwabenhalle) Gelegenheit. Karten im Vorverkauf bei unserer Zeitung sowie unter 01805/132 132.