KaufbeurenNur sechs Wochen nach der erfolgreichen Aufführung der 'Petite Messe solennelle' von Rossini hat Traugott Mayr, Kirchenmusiker an der Kaufbeurer Dreifaltigkeitskirche, ein zweites großes Projekt auf die Beine gestellt. Mit dem Weihnachtsoratorium des französischen Spätromantikers Camille Saint-Saëns präsentierte er eine Alternative zum gleichnamigen Werk Johann Sebastian Bachs. Das 'Oratorio de Noël', ein Frühwerk des Komponisten, ist deutlich kürzer und daher auch von mehr Chören realisierbar als Bachs titanenhafte Komposition. Der Chor hat nur vier Nummern zu singen, jedoch wird eine gewisse Klangfülle benötigt, so dass nicht zu wenig Sänger vorhanden sein sollten.
Mayr hatte dem Oratorium vier kleinere Instrumentalwerke in unterschiedlichen Besetzungen vorangestellt. Bachs Präludium und Fuge C-Dur (BWV 547) für Orgel erklang zumeist in strahlenden Zungenregistern. Organist Klaus Ortler registrierte in der Fuge jedoch etwas kontrastarm, so dass man Probleme hatte, die einzelnen Stimmeinsätze nachzuvollziehen.
Von Bachs jüngstem Sohn Johann Christian erklang die 'Sinfonia concerto' in G-Dur für Harfe und Streicher. Die Mitglieder des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters unterlegten den virtuosen Part der Solistin Silke Aichhorn mit einem meist samtenen Klangteppich. Die Harfenistin konnte sich anschließend in zwei recht gegensätzlichen Solostücken profilieren: in Pachelbels berühmtem Kanon, den man sehr selten auf diesem Instrument hört, und in der schmachtenden 'Romanze ohne Worte' des belgisch-französischen Harfenvirtuosen Alphonse Hasselmanns.
Jubelnder Chor-Einsatz
Der von Anfang an im Altarraum anwesende Chor fieberte nun langsam seinem Einsatz entgegen. Mit entsprechend großem Jubel erklang dann auch das 'Gloria in altissimis deo', ein erster Höhepunkt nach dem beschaulichen pastoralen Vorspiel und der rezitativisch von den vier Solisten erzählten Weihnachtsgeschichte nach Lukas.
Alle weiteren Texte des Werkes haben mit der Schilderung der Geburt Jesu im engeren Sinn nichts zu tun. In der Regel sind es Auszüge aus Psalmen oder Prophetenbüchern, die sich mit der Erwartung des Herrn beschäftigen. Die Gesangssolisten erhalten vom Komponisten entsprechend große Möglichkeiten, sich zu präsentieren, sowohl einzeln als auch im Ensemble bis hin zum Quintett.
Für den ersten Sopran ist eine souveräne Höhe unerlässlich. Ulrike Osterried war hier mit ihrer glockig-klaren Stimme eine Idealbesetzung und zeigte im weiteren Verlauf auch ausgeprägte lyrische Stimmqualitäten. Anita Steuer, von der Stimmfarbe her eher ein Mezzo, bildete im Ensemble die ideale Brücke zum profunden Alt von Cornelia Butz. Tenor Sebastian Schmid brachte eher heldische Farben ins Spiel, wogegen Franz Schlecht, würde er auf der Opernbühne singen, das Ideal eines Kavaliersbaritons wäre. Trotz unterschiedlicher Stimmqualitäten vereinten sich die Solisten in den Ensembles stets zu einem homogenen Ganzen.
Der Schluss des Werkes gehörte noch einmal dem Chor, der die Dramatik des Textes 'Um Zions Willen kann ich nicht schweigen' eindringlich realisierte. Das Werk gipfelte in einem freudigen Chorfinale. Jubelnder Applaus. Joachim Buch