Weitnau(mm). - Er weiß noch jedes Detail aus seiner Schulzeit, erinnert sich an die Jahre des ersten Weltkriegs, denkt an die Zeit der wenig goldenen 20er Jahre zurück, bedauert die schlimmen Jahre des zweiten Weltkriegs und freut sich über den gelungenen Aufbau des Weitnauer Tals nach 1945: Weitnaus Ehrenbürger Otto Rist wurde jetzt bei guter Gesundheit und geistiger Frische 100 Jahre alt. Da gab es natürlich viele Geschichten aus seinen Lebensjahren zu erzählen. Wie verblendet die beiden Knechte seines Vaters 1914 in den ersten Weltkrieg zogen und meinten, 'es den Franzosen zeigen zu müssen'. Sie kamen dann schließlich als Kriegsversehrte wieder zurück. Das bedeutete für ihn als kleinen Weitnauer Bauernbub, dass er schon früh auf den beiden Hofstellen mithelfen musste. Mit fünf Jahren kam er außergewöhnlich früh in die Schule, weil er zuhause einfach nicht mehr zu halten war und die damalige Lehrerin Stölzle zum Vater sagte: 'Dann schick ihn mir halt.
'Im zweiten Weltkrieg war Otto Rist in Italien bei den schweren Kämpfen um das Kloster Montecasino im Einsatz. Nach kurzer Gefangenschaft bei den Amerikanern wurde er als 'Farmer' nach Hause geschickt, weil ja überall Lebensmittel fehlten und die Landwirtschaft in Deutschland wieder in Gang kommen sollte. Beim Aufbau des Weitnauer Tals nach dem Krieg war Rist an vorderster Stelle aktiv und setzte sich besonders für die genossenschaftlichen Belange der Landwirtschaft ein. Für neue Entwicklungen im Molkereibereich, für die Waldwirtschaft und die Viehzucht der Herdebuchgesellschaft engagierte sich der Weitnauer Ehrenbürger lange Jahre. Er erinnert sich noch gut, wie er bei einer Sitzung des Kreisvorstands des Bayerischen Bauernverbands dem damaligen Vorsitzenden und späteren Landwirtschaftsminister Kiechle eine Erhöhung der Sitzungsgelder von drei auf fünf Mark abringen konnte: 'Denn 'von Weitnau aus war das ja eine Tagesreise nach Lenzfried und vier Mark gingen da schon in der Wirtschaft drauf', lächelt der 100jährige. Später verkaufte Otto Rist sein großes land-wirtschaftliches Anwesen in Weitnau und kaufte eine Rollladen- und Markisenfabrik in Ludwigsburg, die sein Sohn heute noch führt. Von seinen drei Kindern (ein Sohn, zwei Töchter) ist eine Tochter schon verstorben, aber er hat noch acht Enkel und fünf Urenkel, die 'leider auf ganz Deutschland verstreut sind', aber wo die alle leben und was sie tun, das weiß der rüstige Opa und Uropa ganz genau.' Er selbst kaufte beim Umzug der Raiffeisenbank Weitnau in die neuen Räume das frühere Bankgebäude neben dem Rathaus und verbringt dort seit einigen Jahren seinen Lebensabend im geliebten Weitnauer Tal.