Kaufbeuren/München (avu). - Üblicherweise sind Orgeln Kunstwerke für sich. Wie sehr die Kirchenarchitektur aber mit der Gestaltung des Musikinstrumentes verschmelzen kann, beweist der Kaufbeurer Orgelbaumeister Martin Langenwalter mit dem Entwurf einer Orgel für die Herz-Jesu-Kirche in München-Neuhausen, für den er nun den Staatspreis bekam. Das Gotteshaus wurde 1999 von dem Architektenteam Allmann, Sattler und Wappner entworfen. Es gilt unter gestalterischen Gesichtspunkten als einer der wichtigsten Kirchenneubauten der vergangenen Jahre in Deutschland. Ganz unbescheiden hat sich Martin Langenwalter die Herz-Jesu-Kirche als Kulisse für die Abschlussarbeit seiner zweijährigen Fortbildung zum Gestalter im Handwerk ausgesucht. Das Werk ist ein modellhafter Orgelprospekt, also die Außengestaltung einer Orgel, die nach Langenwalters Worten 'in intensiver Beziehung zur Innenarchitektur eines Raumes stehen soll'. Die Herz-Jesu-Kirche hatte sich der 36-Jährige ausgesucht, obwohl dort bereits der Vertrag für einen Orgelneubau abgeschlossen war und eine spätere Verwirklichung seines eigenen Entwurfes damit ausschied. In Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin des Architektenteams legte Langenwalter die Bedingungen für einen Orgelneubau in Abhängigkeit von der Konzeption der Kirche fest.
'Dabei entstanden Pläne und das Modell einer Orgel, die Idee, Formensprache und Materialität des Raumes aufnimmt und sich als Instrument gleichzeitig auf eine neue Art darstellt', so der gelernte Orgelbaumeister, der einst bei der Kaufbeurer Orgelbaufirma Gerhard Schmid gelernt hat. Die architektonischen Themen der Herz-Jesu-Kirche - wie Transparenz, Offenheit, Verdichtung und Auflösung, die sich in der gläsernen Fassade, den Portalen, in der Lichtführung durch die hölzerne Innenkonstruktion oder etwa im Drahtgeflecht des Altarvorhangs äußern - sollten auf eine 'individuelle Weise' in der Orgel sichtbar werden. Wichtigstes Gestaltungsprinzip ist dabei ein gleichbleibendes Raster in der Pfeifenaufstellung, das von der größten Pfeife in der Mitte des Prospektes vorgegeben wird. Da mit ansteigender Tonleiter die Pfeifen im Durchmesser abnehmen, wird von der Mitte nach außen der Blick ins Innere der Orgel immer weiter freigegeben. Der Betrachter kann so, abhängig von seinem Standpunkt, fast alle 3000 Pfeifen sehen. Weitere Beziehung zum Raum sollen Materialien herstellen, wie sie auch in der Kirche verwandt werden. So würden die Prospektpfeifen im Original aus der gleichen Messinglegierung wie der aus Draht gewebte Kreuzvorhang angefertigt. Martin Langenwalters Arbeit führte ihn nicht nur zum Abschluss an der Akademie für Gestaltung (übrigens der beste Abschluss, mit Meisterpreis), sondern auch zur Teilnahme an der Sonderschau Talente 2003, einem internationalen Wettbewerb für Nachwuchskräfte des Handwerks in Gestaltung und Technik. Ebenso wurde der Entwurf mit dem Bayerischen Staatspreis 'für hervorragende handwerkliche Leistungen' ausgezeichnet. Ob er die Pläne jemals in einer Orgel umsetzen kann, bezweifelt Langenwalter, der heute für einen Orgelbau-Zulieferer in Andechs arbeitet: 'Sie werden niemals identisch auf einen anderen Raum als den der Herz-Jesu-Kirche übertragen werden können.'