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Odyssee auf dem Drahtesel

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Odyssee auf dem Drahtesel

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    Von Christine Rothauscher, Haldenwang Was macht ein Mann, wenn er sich verliebt hat? Er versucht seiner Liebe möglichst nahe zu sein. Und was tut ein Mann, der sich in einen fremden Kontinent verliebt? Dasselbe. Jedenfalls, wenn er Stefan Herb heißt und die Sehnsucht nach Amerikas fernen Horizonten so stark ist, dass ein Trekkingrad genügt, um sie zu erreichen: Als 'Pedalritter' war der Haldenwanger drei Jahre lang zwischen Feuerland im Süden und Alaska im Norden unterwegs. Sage und schreibe 52000 Kilometer strampelte er dabei herunter. 'Ich zittere durchs kaffeebraune Wasser an einem Lastwagen vorbei, bis ich nach einem Wackler den Fuß vom Pedal nehmen muss. Der findet keinen festen Boden mehr, sondern nur Schlamm, und mein Bein taucht bis zur Hüfte ein.' In den Anden hat Herb diese 'Schlammschlacht' erlebt und im Tagebuch wie mit der Kamera festgehalten. Wie ein in Seenot geratener Radler sei er sich vorgekommen, weiß er noch. Und auch, dass ihm der blau-weiße Kirchturm des nächsten Dorfes 'wie ein rettender Leuchtturm' vorkam. Heute schmunzelt er über dieses Abenteuer - und auch darüber, dass er beim Zelten im brasilianischen Regenwald von Brüllaffen geweckt wurde oder beim gemeinsamen Bad mit Goldgräbern ein wichtiges brasilianisches Lebensmotto annahm: 'Tudo legal' was so viel heißt wie: 'Alles bestens'. Doch trotz großer Liebe zum großen Kontinent Amerika: Nicht alles auf der Zweirad-Odyssee war bestens - das hat der 25-Jährige während seiner Durchquerung des Kontinents 'oft und oft' erfahren.

    Trotzdem leuchten die Augen des großen Blonden (1,92 Meter), wenn er von Begegnungen mit Pinguinen, Skorpionen, Wölfen und Bären erzählt. 'Ich habe viele interessante Menschen getroffen und mir den Luxus gegönnt, Zeit zu haben, um die geistige und räumliche Freiheit zu erfahren', sinniert er. Freilich: Einfach auf und davon gefahren ist der Haldenwanger nicht - im Herbst 1999, als er seiner Sehnsucht nach fernen Zielen nachgab. Das Abitur am Kemptener Allgäu-Gymnasium gehörte ebenso zur Pflicht vorab wie etliche Radreisen. Im Zivildienst hat er 'jedes Zehnerl' gespart, seinen Bausparvertrag in Reisegeld umgewandelt und im elterlichen Elektrobetrieb mitgearbeitet, um auf seiner Tour 'flüssig zu sein'. Sparsamkeit war trotzdem der tägliche Begleiter auf seinen Wegen gewesen. Die führten den Oberallgäuer, der bald eine Ausbildung zum Krankengymnasten beginnen will, über 5000 Meter hohe Pässe oder per Segelboot über den Panamakanal. Im Tagebuch notiert Herb: 'Ich kann kaum begreifen, warum die Leute umso freundlicher werden, je ärmer die Länder sind, in denen sie leben.' Viel weniger schwärmt der Globetrotter von seiner Durchquerung der USA, wo er ein halbes Jahr lang als Arbeiter sein Portemonnaie auftankte. Erst als Fairbanks in Alaska, sein Endziel, näher rückt, klingt der Biker wieder begeistert. Von romantischen Nächten im Zelt oder der leuchtend roten Tundra ist da die Rede. Doch irgendwann heißt es für den Weltenbummler Abschied nehmen: Stefan Herb muss seiner großen Liebe Amerika 'Good bye' sagen. Was bleibt? Der Haldenwanger überlegt nur kurz: 'Die Erinnerung an platte Reifen, Sand im Frühstücksmüsli, Steine unter der Isomatte und die Erfahrung, dass eine Reise immer am interessantesten wird, wenn alle zurechtgelegten Pläne explodieren.'

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