Von Stephan Schöttl |Kaufbeuren/OstallgäuDie Bundesregierung will möglichst rasch die Konjunktur ankurbeln, Arbeitsplätze sichern. Und der Kunde soll davon profitierten. So sieht es zumindest in der Theorie aus. Rückwirkend zum 5. November dieses Jahres sollen daher alle Neuwagen, die mindestens die Euro-4-Norm erfüllen, von der Kfz-Steuer befreit werden. Für Autos, die besonders umweltfreundlich sind, also der Euro-5 oder Euro-6-Norm entsprechen, muss gar zwei Jahre lang nichts an den Fiskus überwiesen werden.
Auf den ersten Blick klingt das verlockend, in der Praxis bewährt es sich aber nicht. Marcus Schmitz, Filialleiter des Kaufbeurer Autohauses Schmitz & Haeberlen, rechnet vor: Bei einem 1-Liter-Wagen mache das jährliche Steueraufkommen rund 67 Euro aus, bei einem Diesel bis zu 300 Euro. "Bei Kaufpreisen um die 20000 Euro ist dieser minimale Betrag nicht entscheidend für den Kauf eines Neuwagens", meint Schmitz. Er glaubt vielmehr daran, dass diejenigen, die ohnehin in den kommenden Monaten einen Neuwagen kaufen wollten, das Angebot jetzt gerne mitnehmen und sich den Wagen deshalb eventuell früher anschaffen. "Es ist auf jeden Fall einmal ein Zeichen seitens der Regierung", meint der Filialleiter.
Geplant war zunächst, die Regelung für jedes Auto geltend zu machen, das bis Ende 2010 zugelassen wird. Inzwischen ist die Regierung aber zurückgerudert. Wer ein Stück vom Kuchen abhaben will, hat noch etwa ein halbes Jahr Zeit. Die Frist läuft am 30. Juni 2009 aus. Die Befreiungen sollen generell bis Ende 2010 gelten. Das spiele aber keine Rolle meint Stefan Langer vom gleichnamigen Autohaus in Kaufbeuren. Die verkaufsfördernde Wirkung werde ausbleiben, prophezeit er. Das Problem: Nur große Fahrzeuge würden extreme Steuerfreiheiten genießen, Klein- oder Mittelklassewagen hingegen kaum. "Ein Angebot muss klar und einfach sein", fordert Langer.
Andreas Keller, Verkaufsleiter bei Auto Singer, konkretisiert: Die Kaufzurückhaltung sei keine Sache der aktuellen Konjunkturschwäche, sondern bereits länger vorhanden. "Die Kunden sind verunsichert. Deshalb würde mehr Transparenz helfen", sagt er. Sprich: Wie entwickelt sich die Kfz-Steuer? Wie geht es mit den Schadstoffklassen weiter? Aber auch an die Hersteller selbst wendet sich Keller: "Wir müssen mehr Autos zwischen 8000 und 15000 Euro bauen. Mit langfristigen Lösungen wäre uns jedenfalls viel besser geholfen", meint er.
Dragan Gajic hofft auf die psychologische Wirkung des Angebots. Daran, dass Kunden über die möglichen Ersparnisse gelockt werden können. Als Renault-Vertragspartner buhlt Gajic mit weiteren Mitteln um Käufer: Seitens des Herstellers wird künftig zwei Jahre die Kfz-Steuer übernommen.

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"Wagen, welche die Euro-5-Norm erfüllen, werden von staatlicher Seite sowieso zwei Jahre nicht besteuert. Wir bieten unseren Kunden, hauptsächlich Fahrer von Euro-4-Autos, eben den gleichen Vorteil", erklärt er.
Auch im Finanzamt wurden die Mitarbeiter auf die neue Regelung hingewiesen. "Wir werden die Bearbeitung von Fällen aussetzen, die in Frage kommen. Steuerbescheide werden zunächst nicht erteilt", erklärt Amtsleiter Maximilian Stock.