Als im Juli letzten Jahres der Thannheimer Tal Radmarathon stattfand, führte die 228 Kilometer lange Strecke auch durch das Oberallgäu. Start war in Tannheim. Die Strecke führte über Wertach nach Kranzegg, weiter nach Immenstadt und dann über den Riedbergpass wieder zurück nach Österreich. Rund 20 Einsatzkräfte der Feuerwehr Kranzegg waren an diesem 3. Juli 2022 im Einsatz, um die Straße in Bereich Wertach-Kranzegg zu sichern und so ein freies Durchfahren der Athleten zu ermöglichen.
Absperrung der Feuerwehr ignoriert
"Wir wurden um kurz vor 6 Uhr auf unsere Bereiche aufgeteilt und hatten die Aufgabe, die Straße für den Verkehr zu sperren. Sobald das erste Einsatzfahrzeug der Polizei durchfuhr, durfte sich niemand mehr auf der Straße befinden", beschrieb der 2. Feuerwehr-Kommandant Martin Götzfired vor Gericht. Einen 71-jährigen Kranzegger interessierte die Sperrung offenbar nicht. Er zerriss das Absperrband am Alpweg und wollte auf die Wertacher Straße einfahren. Dabei blieb der Angeklagte Oberallgäuer aber nur wenige Zentimeter vor Kommandant Florian Burger stehen, der den Autofahrer in seinem Mercedes aufhalten wollte. Beide Feuerwehrkommandanten haben den 71-Jährigen daraufhin wegen Nötigung angezeigt. Der Allgäuer erhielt einen Strafbefehl, den er allerdings ablehnte. Im vergangenen Jahr kam es aufgrund dessen vor dem Sonthofener Amtsgericht zu einer Verhandlung. Die Strafe: 30 Tagessätze zu je 40 Euro. Auch gegen diesen Strafbefehl legte der Rentner Einspruch ein.
So verteidigte sich der 71-Jährige
Jetzt stand der 71-jährige Allgäuer in Kempten vor dem Landgericht. Seine Beschreibung der Geschehnisse am 3. Juli 2022: "Ich hatte einen Minijob in einer Bäckerei und musste da hin. Ich wusste nicht, dass die Straße wegen einem Radrennen gesperrt wird." Das Absperrband signalisierte deutlich, dass eine Fahrt auf die Wertacher Straße nicht möglich ist. Auch eine Diskussion mit dem 2. Kommandanten Martin Götzfried, der als Absperrposten an der Engstellte eingeteilt war, brachte nichts. "Ich musste zur Arbeit und musste da durch. Ich zerriss das Absperrband und fuhr los, da stand plötzlich ein Mann laut schreiend auf der Straße. Ich hielt knapp 30 Zentimeter vor ihm an und wollte zurücksetzten. Es gab keinen Versuch seitens der beiden Einsatzkräfte, die Situation zu lösen", so der 71-Jährige. Vor Richterin Karg sagte der Angeklagte weiter aus, dass er die Absperrposten nicht als Einsatzkräfte der Feuerwehr erkannt habe. "Jeder kann so eine Weste anhaben", so der Angeklagte. Doch ein Video, das die Frau eines der Kommandanten gedreht hatte, zeigt, dass die beiden Einsatzkräfte deutlich mit gelben Westen mit dem Aufdruck "Feuerwehr" und der üblichen Einsatzhose bekleidet waren.
Mercedes berührte die Hose des Feuerwehr-Kommandanten
Die Aussagen der drei Zeugen unterschieden sich kaum. Der Beschuldige sei an dem besagten Tag völlig ausgerastet. "Er fuhr auf mich zu und fing sofort an, laut zu werden. Dann stieg er aus, zerriss das Absperrband und fuhr los. Mein Kamerad Florian Burger, der zugleich 1. Kommandant der Feuerwehr Kranzegg ist, sah die Situation und rannte sofort auf die Straße", so Kommandant Götzfried. Doch der Angeklagte hielt erst an, nachdem er laut Götzfried schon die Hose von Kommandant Burger berührte. Auch auf einem Foto ist zu erkennen, wie die Stoßstange des Mercedes die Hose von Burger berührte. Der 71-jährige Angeklagte blieb bei seiner Aussage, dass er kurz vor dem Kommandanten anhielt und dann zurücksetzten wollte. Als er versuchte, den Rückwärtsgang einzulegen, sei er kurz von der Bremse und daher so nah an die Hose des Zeugen gerollt. Er habe schon seit längerer Zeit Probleme mit der Kupplung seines über 20 Jahren alten Mercedes.
Rentner war früher selbst bei der Feuerwehr
Richterin Karg und Staatsanwältin Bartsch waren sich einig: "Die ehrenamtlichen Einsatzkräfte hatten eine hoheitliche Aufgabe durchzuführen und Sie haben es ignoriert. Sie konnten nicht ahnen, wann die Sportler kommen würden und wollten unbedingt die Straße queren", so Richterin Karg. Immer wieder musste die Richterin den Angeklagten ermahnen, weil er dem Zeugen Florian Burger ins Wort fiel und diesen nicht ausreden ließ. "Wenn die Einsatzkräfte etwas durchsetzen sollen, dann sollten sie es auch richtig machen. Ich war vor 40 Jahren selbst in der Feuerwehr und habe solche Aufgaben übernommen. Man kann auch mal eine Ausnahme machen und sich absprechen", so der Kranzegger. Doch die Aussagen von den drei Zeugen waren identisch und bestätigten, dass der Beschuldigte bis an den Kommandanten Florian Burger herangerollt war. "Wäre ich weggesprungen, dann wäre er einfach weitergefahren. Er machte nicht den Eindruck, als würde er umdrehen wollen", so Burger. Die Aussagen der drei Zeugen überzeugten dann Richterin, Staatsanwältin und die beiden Schöffen. Der 71-Jährige wurde erneut wegen Nötigung verurteilt.

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71-Jähriger akzeptiert Strafe
Der Angeklagte zog seinen Einspruch auf Anraten seines Anwalts zurück und akzeptierte die Strafe von 1.200 Euro. Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte ebenso zu tragen. "Es war eine sehr gefährliche Situation. Wenn sie selbst bei der Feuerwehr waren, sollten sie es eigentlich wissen. Es gab für Notfälle eine Ausnahme, doch ihre Arbeitsstelle ist kein Notfall", so die Richterin am Schluss zu dem 71-jährigen.