Ein unbewohntes Bauernhaus neben der Kirche, eine Brachfläche im Ortskern, Baulücken in der vor zwanzig Jahren ausgewiesenen Siedlung. Das alles ist in vielen Ostallgäuer Gemeinden Realität. Dennoch finden Bauwillige oft keinen Platz fürs Eigenheim oder suchen vergeblich nach einer Mietwohnung am Ort. Und erneut bringt der Gemeinderat ein Baugebiet auf den Weg, wieder wächst die Siedlungsfläche. Die Kehrseite: Bauern haben dadurch weniger Platz, um Futter für ihre Kühe anzubauen. Neue Wasser- und Kanalrohre werden verlegt, Straßen geteert. Die Kosten für Infrastruktur steigen. Gleichzeitig sinkt die Einwohnerzahl. Und immer weniger Menschen brauchen Kindergarten oder Schule: 'Die einzige stark wachsende Bevölkerungsgruppe werden die Senioren sein', sagt Claus Hensold vom Landesamt für Umwelt (LfU) in Bayern.
Rund zwei Stunden nahmen sich die Ostallgäuer Bürgermeister jüngst Zeit, um den Flächenverbrauch von verschiedenen Seiten zu betrachten. Der Ostallgäuer Landrat Johann Fleschhut sieht die Kommunen hier im Spagat, sich einerseits weiterzuentwickeln, andererseits den Flächenverbrauch niedrig zu halten. Doch nur dann, wenn nicht jedes dritte Haus leer stehe, bleibe ein Dorf lebendig. Daher müsse man weiter den Zuzug forcieren – vorrangig aber vorhandene Flächen für Wohnungen und Gewerbe nutzen.
Hoffen auf hohe Rendite
Aus zwei Blickwinkeln beleuchtete Thomas Kölbl, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes im Ostallgäu und Gemeinderat in Bidingen, die Problematik. Er rechnete vor, dass im Freistaat durch neue Siedlungen alle zwei Tage die Fläche eines Bauernhofs verloren gehe.
Ein Problem bei der Flächenaktivierung sieht er in der Besitzstruktur: Der Grund aufgelassener Höfe komme nicht auf den Markt, weil die Besitzer auf eine hohe Rendite hoffen, wenn das Areal irgendwann Bauland wird. Grundbesitz gilt als Wertanlage – obwohl die Baulandpreise sinken. Aktive Landwirte verkaufen jedoch keinen Quadratmeter, weil Ersatzflächen und Tauschflächen fehlen.
Schwierig sei, dass Erbengemeinschaften oft uneins seien, was mit einem ehemaligen Bauernhof passieren soll. Als Gutachter wisse er, dass die Bausubstanz eines abbruchreifen Bauernhofs oft nur 30 000 Euro wert ist. Doch einige Käufer bezahlten doch 100 000 Euro und vielen Erben sei selbst dies zu wenig. Auf Anhieb könne er viele Gebäude nennen, die auf dieser Weise einer Ersatzbebauung oder Sanierung entzogen seien.
Vorrangig müsse die Innenentwicklung in den Dörfern sein: 'Jeder Neubau im Neubaugebiet entwertet die Altsubstanz', so Kölbl. Denn die Gemeinden bekommen damit nicht mehr Bürger, aber mehr Verödung in den Zentren: Das Dorf werde für Neubürger weniger attraktiv. Beim Wettbewerb um junge, ansiedlungswillige Familien befürchtet er gar 'Kannibalismus' der Gemeinden. Wie Hensold empfiehlt er eine Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg: Nicht jeder brauche sein Gewerbegebiet.
Problembehaftet sieht Kölbl die ökologischen Ausgleichsflächen, die für die Ausweisung neuer Siedlungen verlangt werden: Dies verknappe die landwirtschaftliche Nutzfläche. Auch die Bürgermeister sehen hierin Probleme. Armin Holderried berichtete, dass Mauerstetten mangels eigener Grundstücke Ausgleichsflächen in anderen Landkreisen nutze, was rechtlich zulässig sei.
Gleichzeitig kaufe Kaufbeuren aber in großem Stil Flächen in Mauerstetten, da die Verhältnisse in der Stadt beengt seien.
Johann Stich (Ruderatshofen) mahnte, der Ausgleich solle auf eigener Flur erfolgen. Doch die Naturschutzbehörde solle bei der Bewertung von Uferstreifen oder Waldumbauten als Ausgleichsflächen großzügiger seien. Kölbl sieht in der Kulturlandstiftung des BBV eine Alternative.