"Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragte Bürgermeisterin Brigitte Schröder in der Gemeinderatssitzung ihre Kolleginnen und Kollegen. Denn für Günzach steht eine neue Möglichkeit im Raum, ein schon mehrfach ins Auge gefasstes Nahwärmenetz zu verwirklichen. Das Technocell-Werk unterbreitete der Kommune "ein interessantes Angebot", wie es im Rat hieß. Von der Geschäftsleitung des Dekorpapierherstellers wurde das Ingenieurbüro Hirdina aus Betzigau mit einer Vorprojektierung beauftragt. Diese stellte Wolfgang Hirdina nun vor.
Mit einer leistungsstarken Gasturbine erzeugt Technocell viel Wärme mit hoher Temperatur zur Dampferzeugung. Allerdings fällt nach der Nutzung im Werk auch noch viel Wärme im Temperaturbereich von rund 80 Grad an. Diese wird zurzeit ungenutzt "in die Luft geblasen". Hier setzt die Überlegung einer Nahwärmeversorgung an, denn mittels Wärmetauschern könnte diese Restenergie sinnvoll in ein Verbundnetz abgegeben werden und noch viele Gebäude heizen. "Je mehr Abnehmer anschließen, umso wirtschaftlicher wäre das Netz zu betreiben", informierte Hirdina.
Als Investitionen für das Technocell-Werk nannte der Ingenieur einen Wärmetauscher, Netzpumpen und die Regelungstechnik, die bei Technocell zur Verfügung stehen müssten, sowie die Erstellung und das Betreiben des Leitungsnetzes mit Übergabestationen in Gemeindehand.
Betriebsleiter Georg Haggenmüller sprach von der "Bedingung", dass Technocell die eigenen Kosten in zwei bis maximal vier Jahren wieder vereinnahmt. Das wäre mit Anschlussgebühren nach Abnahmewerten zu realisieren, so Hirdina. Eine Förderung für die Maßnahme ist derzeit nicht in Aussicht.
Haggenmüller nannte als Grund für das Angebot einen "Energieverlust, der heutzutage kaum zu verantworten ist". Die Firma will prinzipiell nur ihr eingesetztes Geld zurück, denn "wir wollen kein Geschäft machen", so Haggenmüller. Eine "ehrliche Versorgungsgarantie" kann Technocell für fünf Jahre übernehmen, eine weitergehende vertragliche Zusage könne nicht abgegeben werden.
Allerdings würde gegebenenfalls die Gemeinde die Verpflichtung zur Wärmelieferung weiter übernehmen, sagte Rathauschefin Schröder: "Wir lassen das Wärmenetz nicht verkommen".
Schonung der Ressourcen
Als Vorteile für eine Nahwärmeversorgung nannte Hirdina eine große CO2-Einsparung und die Schonung endlicher Ressourcen, denn es könnten viele alte Öl- oder Gasheizungen abgeschaltet werden. Für die Abnehmer ergebe sich ein relativ stabiler Energiebezugspreis, der an den Ölpreis gekoppelt werden kann - aber nicht muss. Gerade dadurch ergäbe sich eine interessante Alternative zum nervenaufreibenden Ölkauf, so Hirdina. Auf Frage sagte er, das Netz sollte "in einem Rutsch" erstellt werden. Auf Wunsch kann eine Leitung zu Kunden verlegt werden, die erst später anschließen wollen.
Nach einstimmigem Beschluss des Gemeinderats wird die Nahwärmeversorgung weiter verfolgt. Im Januar erhalten die Hausbesitzer einen Fragebogen, um feststellen zu können, wie groß die Nachfrage ist. Seitens der Kommune könnten Kindergarten, Gemeindesaal und Turnhalle angeschlossen werden. Die Kirche, eine große Spedition und mehrere Privatpersonen bekundeten laut Schröder ebenfalls Interesse. Bei einer Versammlung Anfang nächsten Jahres können weitere Fragen angesprochen werden.