ein Gläschen Sekt Auch kritische Stimmen zu alternativem Geburtshaus. Von Andrea Kümpfbeck Kempten Die Chancen stehen nicht schlecht, dass das Allgäuer Millenniums-Baby seinen ersten Schrei in der Kemptener Bahnhofstraße tun wird. Denn die vier Hebammen von 'Erdenlicht' erwarten in den nächsten Tagen vier Babys. In dem seit Mai bestehenden Geburtshaus, dem einzigen im Allgäu, sind seither gut 20 Kinder zur Welt gekommen. Es gibt aber durchaus auch kritische Stimmen, die sich mit Geburten fernab der technischen Möglichkeiten einer Klinik nicht anfreunden können. 'Wir fahren in der heutigen Zeit ja auch nicht mehr mit Pferdekarren, sondern mit dem Auto', sagt der Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Kempten, Dr. Herfried Vogt.
Brigitte Brenninger hat ihr erstes Kind Anna im Krankenhaus Sonthofen zur Welt gebracht. 'Das war nicht schlecht, aber in Kliniken habe ich immer das Gefühl, dass ich operiert werde', erzählt die 34-Jährige. Für die Geburt ihres Sohnes Benedikt hat sich die Kemptenerin das Geburtshaus ausgesucht: helle, gemütliche, schalldichte Räume mit breitem Bett und riesiger Badewanne. Bunte Vorhänge, farbige Bettwäsche, Kerzen, Duftlampen und entspannende Musik erinnern eher an ein Wohn- als ein Geburtszimmer.
Neben der netten, unsterilen Atmosphäre nach der Geburt gibt\'s Schokokekse, Butterbrezen und Sekt, nach zwei bis sechs Stunden können die Frauen dann mit ihrem Baby heim in die gewohnte Umgebung war Brigitte Brenninger das enge Vertrauensverhältnis zu ihrer Hebamme wichtig: 'Sie hat mich während der ganzen Schwangerschaft betreut und konnte mich auch in der Extremsituation optimal unterstützen', sagt die 34-Jährige. Auch die Physiotherapeutin Elke Walz (30) hat ihre Tochter Annalena im Geburtshaus zur Welt gebracht. Sie hat es vor allem genossen, Zeit zu haben: 'Es war keine Hektik. In der schönen Atmosphäre hatten wir genug Zeit, unsere Tochter kennen zu lernen.'
Nach dem ersten Gespräch mit den Hebammen von 'Erdenlicht', erinnert sich Brigitte Brenninger, 'waren wir ganz schön geschockt'. Geschockt deshalb, weil Elisa Haupenthal, Gabi Mooser, Ingrid Notz und Brigitte Ewender alle vier Hebammen mit jahrelanger Erfahrung sie 'ganz brutal' über mögliche Komplikationen aufgeklärt haben, so die junge Mutter. 'Wir schließen natürlich, so weit wie möglich, alle Risiken aus', sagt Gabi Mooser. Es würden auch nur Frauen im Geburtshaus angenommen, deren Schwangerschaft auf eine völlig reibungslose Geburt hindeute. Trotzdem gebe es natürlich keine Garantie, dass alles gut läuft, sagt Haupenthal. Falls es zu Komplikationen komme, sei eine werdende Mutter vom Geburtshaus aus in fünf bis zehn Minuten im Krankenhaus.
Etwa drei Prozent aller Geburten in Bayern finden außerhalb eines Kreißsaals statt, sagt die Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Verbandes, Karen Brandl. Nur rund 0,7 Prozent aller Kinder kämen in den sieben bayerischen Geburtshäusern zur Welt, der Rest zu Hause. Die Expertin kann sich mit Geburten außerhalb einer Klinik nicht anfreunden: 'Statistisch gesehen kommt es bei zehn Prozent aller Geburten zu unvorhergesehenen Zwischenfällen', sagt sie. 'Da kann es um Minuten gehen', betont Dr. Herfried Vogt. Ingrid Notz, Brigitte Ewender, Elke Walz mit Annalena, Gabi Mooser, Brigitte Brenninger und Elisa Haupenthal (von links) im Geburtszimmer von 'Erdenlicht'. Foto: Martina Diemand