Von Michaela Behr|Oberstdorf'Wir wollen - ohne das Unglück zu verdrängen - wieder Normalität herstellen.' Auch Ludwig Haslbeck, Schulleiter des Gymnasiums Oberstdorf, ist nach wie vor fassungslos, dass sich innerhalb kürzester Zeit zwei so tragische Unfälle ereignen konnten: In der letzten Ferienwoche waren mit einem 16-jährigen Mädchen aus dem Kleinwalsertal und einem 14-jährigen Skispringer aus den Niederlanden zwei Schüler des Gymnasiums ums Leben gekommen (wir berichteten).
Noch während der Ferien stellte das Gymnasium in Zusammenarbeit mit dem Skiinternat, der Polizei, Schulpsychologen und Mitarbeitern des Krisenintervention- und Bewältigungsteams Bayerischer Schulpsychologen (kurz: KIBBS-Team) einen Plan auf die Beine, um die Schüler bei der Verarbeitung der tragischen Unfälle zu unterstützen.
Drei zentrale Aspekte kristallisierten sich dabei heraus: Erstens trauert die Schulfamilie - Lehrer wie Schüler - bewusst gemeinsam um die Jugendlichen. Zweitens soll den Schülern vermittelt werden, wie wichtig es ist, nach einem Unglück wieder den Alltag einkehren zu lassen. Drittens liegt der Schulleitung daran, professionelle Hilfe auf freiwilliger Basis anzubieten.
'Auch für die Lehrer ist das eine ungewohnte Situation', betont Schulpsychologin Ruth Loemke. In einer Konferenz am Montag noch vor Schulbeginn bereitete sie die Lehrkräfte auf den Unterricht vor - versuchte auch, ihnen die Angst zu nehmen, etwas verkehrt zu machen.
Gefühle wahrnehmen und Gerüchten vorbeugen
In sämtlichen Jahrgängen des Gymnasiums wurden die tragischen Unfälle angesprochen, in die betroffenen Schulklassen ging ein Team von drei Mitarbeitern. 'Es geht bei solchen Gesprächen darum, Gefühle wahrzunehmen - das kann Trauer ebenso sein wie Wut oder Aggression -, Gerüchten vorzubeugen und gemeinsam zu überlegen: 'Wie gehe ich mit dem Unglück um?', sagt Schulpsychologin Loemke.
'Man hatte den Eindruck, dass sich alle an der Hand nehmen', sagt Schulleiter Haslbeck. Die Klassen hätten gebastelt, Briefe geschrieben, die Trauerfeier aktiv vorbereitet, viele Schüler hätten sich ins Kondolenzbuch eingetragen.
Sein Leben so weiterführen wie vorher
Wichtig ist der Schule jetzt, wieder Normalität einkehren zu lassen. 'Wir müssen vermitteln, dass man auch nach einem Unglück sein Leben so weiterführen kann, wie vorher', sagt Loemke. Den Eltern empfiehlt sie, die Kinder genau zu beobachten: Reaktionen wie Alpträume, Teilnahmslosigkeit oder Aggressivität seien zunächst normal. Würden sie andauern, bestehe Handlungsbedarf. 'Die Nachsorgephase wird das ganze Schuljahr dauern - Eltern, Lehrer und Schüler sind gefordert, intensiv aufeinander zu achten', betont die Psychologin.