Von Gerlinde Schubert Sigratsbold - Wolfgang Reichart betreibt mit seinem Bruder Winfried die Tannenmühle in Sigratsbold. Ungewöhnlich ist dabei nicht nur, dass der Familienbetrieb in einer Zeit der Großmühlen bis heute Bestand hat. Noch bemerkenswerter ist: Sie ist in der zwölften Generation in ein und derselben Familie. Vor 400 Jahren hat Wolfgang Reicharts Vorfahre das Anwesen bei Lengenwang übernommen. Noch viel weiter gehen die Wurzeln des Gebäudes zurück. Erstmals erwähnt wurde die Mühle im Jahr 1424. An einer Quelle am 'Hügel des Sigirat' wurde die Mühle als Lehen des Hochstiftes Augsburg erbaut. Als Antrieb für das Mühlrad diente eben diese Quelle, die nicht weit von der Lobach entsprang. Wie ein altes gemaltes Bild zeigt, ist diese Mühle bis heute weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. 1953 allerdings hat der Vater des heutigen Müllers, Anselm Reichart, mit einer wesentlichen Veränderung den Betrieb der Mühle gesichert: Er ließ einen Kanal von der Lobach zur Mühle legen, um die Wasserkraft besser nutzen zu können. Gleichzeitig lagerte er die Mahlwerke in einen mehrstöckigen Anbau aus: Aus einer Rückschüttmühle, die viel Personal erforderte, wurde eine Durchlaufmühle. Die 18 bis 20 Mahlvorgänge können so mit wesentlich weniger Arbeitskräften bewältigt werden. An die herkömmliche Art, das Korn zu brechen, erinnern nur noch einige alte Mühlsteine vor dem Haus. Lange schon sind sie ersetzt durch Walzen, die sich in mehreren Mahl-stühlen gegeneinander bewegen. Verarbeitet werden in Sigratsbold Weizen, Roggen und Dinkel, 'Ein Getreide, das lange in Vergessenheit geraten war', wie Wolfgang Reichart weiß. Er bezieht sein Rohmaterial aus der Buchloer und Landsberger Gegend. Die Zeiten, in denen die Bauern der nähreren Umgebung Korn angebaut und zum Müller gefahren haben, sind längst vorbei. In einem der Mühle angeschlossenen Laden werden die Produkte verkauft. 'Die Kunden kommen aus der Region, aber auch von weiter weg zu uns', sagt Reichart. Zu den Abnehmern gehören auch Bäcker. Und etliche Landwirte beziehen in der Tannenmühle in Sigratsbold ihre Futtermittel. 'Ein wichtiges zweites Standbein für unsere Mühle', wie Reichart sagt. Das Müllerhandwerk hat er von der Pike auf gelernt - und sein Sohn schaut ihm bei der Arbeit schon wieder sehr interessiert über die Schulter. Zu allem Wissen rund um die Kunst des Mahlens gehört für ihn auch ein Gespür für das richtige Mehl. Zum einen mache es die Qualität und die Mischung des Getreides. Zum anderen sei die richtige Einstellung der verschiedenen Walzen, die die Körner brechen, von Bedeutung.
Die ganze Familie hilft Dass in einem Familienbetrieb wirklich alle zusammenhelfen müssen, zeigt die Art der letzten Qualitätskonrolle für das Produkt: 'Wenn frisch gemahlen ist, backt meine Mutter einen Zopf und ein Brot aus dem neuen Mehl - wenn beides gelingt zeigt mir das, dass die Qualität stimmt', erzählt der Müller. Natürlich erspare diese Probe aufs Exempel nicht die Arbeit im Untersuchungslabor. Sicherlich trage auch das zunehmende Bewusstsein für gesunde Ernährung zum Erhalt der kleinen Mühle bei, wie Reichart meint. Auch die immer schärfer werdenen Lebensmittelkontrollen könne er nur begrüßen. Denn Schwarze Schafe, die die Qualität und den Preis drückten, hätten dadurch weniger Chancen, den Kleinen das Geschäft zu vermiesen. Rund 1000 Tonnen Mehl und weitaus mehr Futtermittel für Tiere verlassen die Tannenmühle im Jahr.