Von Sabine Beck |KemptenEs sind die vielen Fragen, die sie nicht mehr ruhig schlafen lassen. Etwa die Frage, wie es jetzt bloß weitergehen soll und überhaupt weitergehen kann. Was die Zukunft bringt, wenn SinnLeffers in Kempten am 28. Februar zum allerletzten Mal seine Pforten schließt - und 55 Menschen auf der Straße stehen. Seit die Mitarbeiter von der Insolvenz des Unternehmens erfahren haben, wünschen sie sich nur eines: "Dass endlich einmal jemand mit uns spricht und uns informiert." Denn jetzt haben sie das Gefühl, einfach vergessen zu werden.
Beispiel Anett Heindl, 34 Jahre, alleinerziehende Mutter eines elfjährigen Sohnes: Im 20. Jahr arbeitet sie in dem Modegeschäft "und das Geld reicht jeden Monat gerade so". Wenn sie an den 28. Februar denkt, "weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll", sagt die 34-Jährige und fügt entschlossen hinzu: "Ich brauche wieder einen Job, sofort."
Beispiel Gertrud Obermeier, 59 Jahre, verheiratet, ein Kind in Ausbildung: "Mein Mann ist in Rente und unser Haus ist abbezahlt", sagt sie. Dennoch sieht sie Probleme auf sich zukommen: "Wenn ich zwei Jahre arbeitslos bin und dann mit 61 in Rente komme, wird es eng." Dann müsse sie an die privaten Rücklagen gehen. Zudem wolle sie noch nicht mit dem Arbeiten aufhören: "Das hat mir immer Spaß gemacht und würde fehlen."
Beispiel David Kowalski, 21 Jahre, ledig: "Ich bin jung, flexibel und optimistisch", sagt er und verbringt dennoch so manche schlaflose Nacht. Erst im August zog er bei seinen Eltern aus, richtete sich eine eigene Wohnung ein und nahm dafür einen Kredit auf. "In Panik verfalle ich deshalb nicht", sagt der 21-Jährige. "Aber ein unangenehmes Gefühl ist da."
Beispiel Werner Friedlein, 54 Jahre, verheiratet, zwei Söhne: 650 Euro im Monat, hat der Familienvater bereits ausgerechnet, würden ihm künftig fehlen. "Das ist genau das Geld, das wir für Lebensmittel und den sonstigen Unterhalt brauchen", sagt Alleinverdiener Werner Friedlein. Natürlich fragt auch er sich, wie es weitergeht, zumal er nicht mehr zu den Jüngsten gehört. Seit der 54-Jährige von der Schließung erfahren hat, sucht er im privaten Umfeld und versucht, über Kontakte weiterzukommen.
Beispiel Gerhard Grotz, 52 Jahre, alleinstehend: Von einem unguten Gefühl spricht Gerhard Grotz, der ebenfalls eigene Kontakte nutzen will. Seit 38 Jahren ist er bei SinnLeffers und ist besorgt: "Ich muss eine Wohnung abbezahlen und brauche wieder einen Vollzeitjob", sagt der 52-Jährige und schildert das momentan größte Problem der Mitarbeiter: "Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen." Denn kündige man jetzt freiwillig, gebe man auch etwaige Ansprüche auf. Bleibe man wiederum und warte auf die Kündigung des Hauses, tue man sich schwerer mit Bewerbungen. Falls sich denn im Einzelhandel überhaupt Möglichkeiten auftun.
"Die Lage ist schlecht", bekräftigt Gewerkschaftssekretär Werner Röll von Verdi: Fast nur Teilzeit- oder Minijobs würden im Einzelhandel derzeit angeboten, dazu werde absolute Flexibilität gefordert und Tarifverträge gebe es kaum mehr. Genau das erwarte jetzt die Beschäftigten von SinnLeffers. Röll: "Dabei wären viele auf zwei Teilzeitjobs angewiesen, um über die Runden zu kommen." Bei der von den Unternehmen geforderten Flexibilität sei das jedoch kaum möglich, für Alleinerziehende gar nicht.
Die SinnLeffers-Mitarbeiter setzen nun auf Unterstützung etwa durch die Stadt oder das City-Management. Und hoffen, dass endlich jemand mit ihnen spricht - und Verständnis auch für sie zeigt.