OberstdorfEs gibt Anblicke, auf die sind Bergsteiger einfach nicht gefasst. Dazu gehören Frauen, die in Stöckelschuhen durch die Kemptener Hütte in den Allgäuer Alpen laufen. Der Oberstdorfer Thomas Dempfle war an diesem kuriosen Auftritt - indirekt und unfreiwillig - beteiligt, wie der 44-jährige Bergführer unserem Mitarbeiter Andreas Ellinger erzählte. Dempfle berichtet im Interview auch darüber, dass Bergwandern manchmal kein Honigschlecken ist.
Thomas, Du bist nun schon seit fast 20 Jahren als hauptberuflicher Bergführer tätig. Hast Du diesen Entschluss irgendwann mal bereut?
Dempfle: Nein, ich habe den schönsten Beruf, den man sich vorstellen kann. Man lernt stets neue und interessante Menschen kennen. Auf Touren, bei denen man mehrere Tage unterwegs ist, zeigen sich die meisten Gäste von einer ganz ehrlichen, oft ganz menschlichen Seite, das gefällt mir. Außerdem bin ich viel draußen.
Macht der Job auch bei Regen und schlechtem Wetter Spaß?
Dempfle: Natürlich ist es besser, wenn wir eine Tour bei schönem Wetter unternehmen können. Aber wenn es mal richtig regnet, dann hält oft das schlechte Wetter die Gruppe zusammen. Abends dann, wenn man in der gemütlichen Hütte sitzt, ist die Stimmung oft besonders gut und der Regen schnell vergessen. Damit die Leute beim Aufstieg nicht so nass werden, haben wir für unsere Bergschule letztes Jahr übrigens 250 neue Regenschirme gekauft.

25.500 Zuschauer
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Sind eure Gäste denn immer erfahrene Bergwanderer?
Dempfle: Nein, überhaupt nicht. Es gibt immer wieder lustige Überraschungen. Wie bei einem Gast, der letzte Woche zu einer Tour mit uns von Oberstdorf nach Meran starten wollte.
Was war mit ihm?
Dempfle: Der Mann kam mit einem über 17 Kilogramm schweren Rucksack zu unserem Treffpunkt. Wir empfehlen normalerweise für eine Wochentour aber acht Kilogramm. Unser Bergführer bat den Gast auszupacken. Neben einem Fön, viel zu vielen Pullovern und sieben Paar Socken kamen zwei riesengroße Gläser Honig zum Vorschein, die der Mann unbedingt dabei haben wollte. Glücklicherweise konnten wir ihn davon überzeugen, dass das Frühstück auf den Berghütten hervorragend ist.
Wie fit sind deine Gäste im Allgemeinen?
Dempfle: Ganz verschieden. Das hängt natürlich auch von der gebuchten Tour ab, da gibt es die ganze Bandbreite. Gerade Touren für Einsteiger, die konditionell nur durchschnittlich fit sind, werden bei uns sehr gut gebucht. Wanderungen, bei denen das Gepäck von Hütte zu Hütte transportiert wird, werden zum Beispiel immer beliebter. Das Wandern ist leichter und vor allem schonender, außerdem wollen viele Gäste selbst in den Bergen auf einen gewissen Komfort nicht verzichten.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Dempfle: Das ist manchmal sehr gewöhnungsbedürftig. Wir hatten zum Beispiel mal ein Angebot, bei dem wir die Koffer unserer Gäste mit der Material-Seilbahn zur Hütte hochgebracht haben. Das führte dann dazu, dass eine Frau beim Abendessen auf der Kemptener Hütte mit Stöckelschuhen, schwarzem Minirock und roter Handtasche erschien. Hüttenwirt Martin Braxmair konnte gar nicht aufhören, vor lauter Verwunderung darüber den Kopf zu schütteln. Heute buchen wir bei Wanderungen mit Gepäcktransport Hotels im Tal.
Das hat aber doch nicht mehr viel mit dem einfachen Leben in den Bergen zu tun.
Dempfle: Es gibt einfach Leute, die viel Gepäck brauchen. So hatten wir mal einen amerikanischen Gast, dessen Rucksack zu Beginn einer Alpenüberquerung nur fünf Kilo wog. Und je leichter ein Rucksack ist, desto mehr Spaß macht das Laufen. Abends auf der Hütte stellte sich allerdings heraus, dass das nur sein Tagesgepäck war und in unserem Büro eine ungewöhnlich schwere und große Tasche mit seinen restlichen Sachen stand. Er dachte wohl, wir bringen die Tasche schon irgendwie nach oben. Aber die Gruppe half zusammen: vom einen bekam er eine Zahnbürste, vom anderen eine Mütze.
Gab es auch schon Gäste, mit denen es nicht so einfach ging?
Dempfle: Das gehört zum Beruf. Aber die allermeisten Gäste sind sehr nett und unkompliziert.