Von Hans-Christian Rudolf, Burgberg-Ortwang - Es sind 'die Olympischen Spiele der Hand-werker', erzählt Michael Martin stolz: Die 'Worldskills 2005' in Helsinki. Doch bevor er die deutsche Schreiner-Meisterschaft gewann, wusste der 20-Jährige aus Ortwang bei Burgberg (Oberallgäu) selber nicht von der Existenz der Weltmeisterschaft, an der nicht nur traditionelle Handwerker teilnehmen. Die Bandbreite der 40 verschiedenen Berufe umfasst auch Schönheitspfleger oder Webdesigner. Die WM findet alle zwei Jahre in einem anderen Ort statt. Nun aber trainiert Martin fleißig, um Ende Mai bei den Titelkämpfen in der finnischen Hauptstadt gegen die Bauschreiner-Konkurrenz aus aller Welt zu bestehen. 'Das ist wie ein sportlicher Wettkampf', berichtet Martin, der 2003 beim Bundesentscheid das beste Stehpult gebaut und sich damit für die Schreiner-WM qualifiziert hat. Fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte die Meisterschaft damals stattgefunden. Denn in Deutschland sind die Handwerker-Titelkämpfe kein Ereignis, das die Massen anzieht. Doch das ist nicht überall so: Bei den viertägigen 'Worldskills' in den Messehallen von Helsinki werden Ende Mai 200 000 Zuschauer erwartet. 'Ich habe noch nie vor Publikum gearbeitet. Es ist bestimmt komisch, wenn einem zum Beispiel Kinder über die Schulter schauen und sagen: 'Kuck mal, da ist der Deutsche', vermutet der 20-Jährige. In T-Shirt und Arbeitshose sitzt der Handwerker auf dem Wohnzimmersofa und sieht sich ein Video von den letzten Titelkämpfen in St. Gallen (Schweiz) an. Sein Trainer hat es ihm gegeben, damit er schon mal eine Vorstellung davon bekommt, was ihn in Helsinki erwartet. Wie bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele marschieren die Mannschaften mit Fähnchen in der Hand und einheitlichen Anzügen in die Halle ein. 'Das wird sehr aufregend', fiebert Martin dem großen Auftritt entgegen. 'Jetzt habe ich so lange trainiert, dass ich endlich zeigen will, was ich kann', brennt der Burgberger darauf, bei der WM an die Werk-bank zu treten. Vor einem Vierteljahr hat Michael Martin mit dem Training begonnen. Jeweils eine Woche pro Monat sägt und schleift er in Rohrdorf bei seinem Coach Richard Schauer was das Zeug hält. Und in der übrigen Zeit machte er sich in seiner Freizeit an die Aufgaben der vergangenen Jahre. Acht oder neun Zierfenster hat Martin schon fertig gestellt - bei einem Wettkampf in Finnland versteht es sich, dass sie aus schwer zu bearbeitendem Birkenholz waren.
Vier Tage harte Arbeit Genau 22 Stunden haben die Bauschreiner in Helsinki Zeit, um die ihnen gestellte Aufgabe zu erledigen. 'Das sind vier Tage harte Arbeit bei höchster Konzentration', weiß Martin. 28 Stunden hat er im Training für sein erstes Zierfenster gebraucht. Mittlerweile jedoch kann er die Zeitvorgabe erfüllen. Schließlich nehmen beim vielen Üben Routine und Schnelligkeit zu. Mit den breiten Sägeblättern und langen Griffen erinnern sie an Samuraischwerter - die eleganten japanischen Sägen, die Martin griffbereit an seinem Arbeitsplatz aufgereiht hat. Der Allgäuer schwört auf asiatisches Werkzeug: 'Japanische Sägen und Hobel haben gute Schneiden und liegen besser in der Hand als deutsche.' Umgekehrt greifen die japanischen Schreiner oft auf deutsche Arbeitsgeräte zurück, wundert sich Martin. Doch daran liegt es nicht, dass vor allem die Koreaner seit Jahren die WM dominieren. Vielmehr werden deren Kandidaten ein Jahr lang intensiv in einer Schule vorbereitet. Jeder Starter darf in Helsinki sein eigenes Werkzeug einsetzen. Und so transportiert eine Spedition Martins Sägen, Stemmeisen und Hobel in die finnische Hauptstadt - eine Ladung von 800 Kilogramm. Vor Ort will Michael Martin seinen 15 Quadratmeter großen Arbeitsplatz genauso einrichten, wie daheim im väterlichen Betrieb. 'Dann könnte ich notfalls auch im Dunkeln arbeiten', ist er überzeugt. Weil nur Nachwuchs-Talente bis 22 Jahre an der Handwerker-WM teilnehmen dürfen, erklärt der 20-jährige Burgberger, habe er nur diese eine Chance auf den Titel. Und die wolle er unbedingt wahrnehmen und mit einer Goldmedaille um den Hals in die Heimat zurückkehren.