Von Andra Bölle |WangenDie grauhaarige Frau im Rentenalter, die sich lange vor Konzertbeginn am Kartenverkaufsstand einen Sitzplatz mit optimaler Sicht auf die Bühne sichern möchte, spricht aus, was sich manch anderer vielleicht insgeheim gedacht hat. Der Kartenverkäuferin erklärt sie ganz direkt: "I will ihn it heara, i will ihn sehe," und deutet mit dem Finger auf den Sitzverteilungsplan der Wangener Stadthalle. Einen Künstler, der im Alter von 104 Jahren auf der Bühne steht und das Publikum unterhält, gibt es schließlich nur einmal auf der ganzen Welt.
Johannes Heesters, der Grandseignieur des deutschen Theaters, gab sich in Wangen (Kreis Ravensburg) die Ehre. Gemeinsam mit seiner Frau Simone Rethel-Heesters und dem Pianisten Uli Kofler präsentiert Heesters seit mehreren Jahren ein abendfüllendes Programm mit dem Titel: "Johannes Heesters - Ein Mensch und ein Jahrhundert". Den Weg nach Wangen fand der niederländische Künstler, der seit 1936 in Deutschland lebt und arbeitet, auf Umwegen. Im Februar 2008 trat Heesters nach mehr als 40 Jahren wieder in seiner Geburtsstadt Amersfoort auf. Dort versprach er seinem Pianisten, dem gebürtigen Wangener Uli Kofler, einen Auftritt in dessen Heimatort. Jopie, so der Spitzname des betagten Künstlers, findet auch heute noch sein Publikum. Die Stadthalle in Wangen ist nahezu ausverkauft, die Zuschauer sind überwiegend älteren Semesters.
Die Vorstellung eröffnet Simone Rethel-Heesters mit multimedialen Bildeinspielungen aus dem Leben ihres Mannes, die sie erklärend kommentiert. Untermalt von Klaviermusik nimmt sie die Zuschauer mit auf eine beeindruckende Reise in die Vergangenheit. Die Vorhänge werden zugezogen und wieder geöffnet - Johannes Heesters steht auf der Bühne. Im weißen Anzug lehnt er am Klavier und sofort begleitet ihn ein Blitzlichtgewitter und der begeisterte Applaus des Publikums. Gebrechlich wirkt er, wie er sich Halt suchend am Flügel abstützt, doch dieser Eindruck verfliegt immer dann, wenn der Künstler singt. Dann scheint er für einen Moment wirklich alterslos zu sein.
"Singen ist herrlich"
Unglaublich kräftig und intonationssicher stimmt er verschiedene Lieder aus seinem umfangreichen Repertoire an. "Es ist herrlich, wenn man singen kann, denn das macht das Leben lebenswert. Ich sing gleich noch eines", so erklärt der betagte Künstler sein Lebensmotto. Dass er so gut wie erblindet ist und kaum mehr die Kraft für eindrucksvolle Gesten hat - Nebensache. Dass er sich bei seinem einfühlsam begleitenden Pianisten zu Beginn eines Liedes immer wieder nach dem Text erkundigt - völlig egal. Dass er größere Erholungspausen benötigt, die mit einem Super-8 Film aus Privatbesitz überbrückt werden - mehr als verständlich. Mit Charme, Witz und großer Professionalität meistert der Entertainer den Abend und zeigt anrührend, wie eine große Leidenschaft über das Alter siegen kann.

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Ganz nebenbei beweist er, dass es sich lohnt, Johannes Heesters zu sehen und zu hören. Immer noch. Das Publikum stand und spendete Applaus für einen faszinierenden Künstler.