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Mit 14 Jahren musste er hinaus in die Fremde

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Mit 14 Jahren musste er hinaus in die Fremde

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    Von Volker Geyer, Wildpoldsried-Eufnach - Sepp Gigel kann zupacken - das verraten schon seine großen, zerschundenen Hände. An der Linken fehlt der Daumen. Den hat er sich 1957 oder 1958 ('So genau weiß ich das gar nicht mehr.') mit einer Kreissäge abgetrennt. 'Aber das stört mich nicht bei der Arbeit', sagt er mit einem Lachen und kneift die Augen zusammen. Als er den Unfall mit der Säge hatte, war der Sepp gerade mal 18 Jahre alt - aber bereits seit gut vier Jahren auf dem Lernbecher-Hof in Eufnach als 'Hütebua' und Knecht beschäftigt. Und das ist er heute noch - mit 65 Jahren. Das Licht der Welt erblickte der große, schlacksige Mann 1939 in einem kleinen Bauernhof im Bayerischen Wald. Auf dem Anwesen in Lederdorn bei Cham war er eines von drei Kindern. Sepp hat einen älteren Bruder - der später den Hof übernahm - und eine Schwester. Wie viele Bauern-Buben im Bayerischen Wald musste Sepp den elterlichen Hof früh verlassen und seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. 'Die Zeiten waren eben schlecht', erinnert sich der 65-Jährige. Und da eine Nachbarin seiner Eltern einen Bruder im Oberallgäuer Eufnach hatte, kam der 14-Jährige schließlich als 'Hütebua' zu den Lernbechers.

    Kein Freund vieler Worte So richtig Heimweh habe er 'eigentlich nicht' gehabt, verrät Sepp und meint kurz und knapp: 'Alle waren immer nett zu mir.' Überhaupt ist der Hofhelfer kein Freund vieler Worte. Nach besonderen Erlebnissen in seinem Leben gefragt, antwortet er nur: 'Ich hab' halt immer g'schafft.' Das heißt, morgens um fünf raus aus den Federn, die 32 Kühe versorgen und hier und dort mit anpacken. 'Früher war alles aber etwas gemütlicher', sagt er verschmitzt. 'nicht so hektisch wie heute, wo immer alles möglichst schnell gehen muss.' Flink war der Sepp aber auch in seiner Jugend - und zwar nicht nur beim Ausmisten und Melken, sondern auch auf dem Fußballplatz. Als Stürmer habe er in Wildpoldsried so manches Tor erzielt. Ob er bei den Mädchen auch so stürmisch war, will der Senior mit dem grauen Schnäuzer nicht verraten. Verlobt oder gar verheiratet war jedenfalls nie. Und den Wunsch nach einem eigenen Hof oder einer anderen Arbeit habe er ebenfalls nie in sich verspürt: 'Ich war immer zufrieden.' Auch ferne Länder interessieren ihn nicht. Denn 'zum Nixtun muss ich nicht wegfahren'. Ein Land - kommt es nach einer längeren Pause über seine Lippen - würde er aber doch gerne besuchen: die Schweiz. Und zwar wegen 'der Landschaft und der urigen Sprache'. Unbedingt müsse er aber nicht dahin, schränkt er sogleich wieder ein, 'hier ist es schließlich auch schön'. Außerdem besuche er ja alle paar Jahre seinen Bruder im Bayerischen Wald. Zur Schwester habe er ebenfalls noch regelmäßig Kontakt. Zudem sind die Lernbechers zu seiner zweiten Familie geworden. Auf dem Eufnacher Hof leben drei Generationen: Großmutter Adelgunde mit Ehemann Roman sowie Bauer Winfried mit Frau Sandra und den Kindern Sandra-Maria (18 Jahre), Johannes (15) und Nesthäkchen Niklas (10). 'Der Sepp ist eine große Hilfe für uns und ein Unikum dazu', unterstreicht Winfried Lernbecher: 'Ich kann mich zum Beispiel nicht daran erinnern, dass er jemals bei einem Arzt war.' 'Ich bin gesund', meint Sepp dazu lapidar. Und das soll auch so bleiben, wünscht er sich an seinem 65. Geburtstag - das und alles andere auch.

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