Von Ingrid Grohe |Kißlegg/WestallgäuDie Milchbauern weiten ihren Protest aus. Gestern haben sie begonnen, Milchwerke zu blockieren. Etwa 100 Westallgäuer Landwirte kamen zu diesem Zweck in Zaisenhofen (Kißlegg) mit rund 200 württembergischen Kollegen zusammen. 48 Stunden, so das Ziel, soll der Hof der Allgäuland-Käsereien für Milchfahrzeuge nicht erreichbar sein.
Die Milch rollt an diesem Tag ziellos durch Süddeutschland. Bei den Allgäuland-Käsereien in Riedlingen, Sonthofen und Zaisenhofen beispielsweise kommen die vollen Tankwagen nicht durch. 30 Traktoren blockieren die Zufahrten in Zaisenhofen. Als das Gerücht aufkommt, die Milchautos sollten ins Milei-Werk in Adrazhofen (bei Leutkirch) umgeleitet werden, fahren einige der Zugmaschinen los, um auch das dortige Werksgelände dicht zu machen. Das Ziel der Aktion ist klar: Keine Milch soll auf den Markt, auf welchem Weg und in welcher Form auch immer.
Die Stimmung ist gut unter den Bauern. Sie begrüßen einander mit Erfolgsmeldungen von Nachbarn, die sich seit Kurzem dem Lieferstopp angeschlossen haben. Vor allem Bauern aus dem Altkreis Wangen, aus Argenbühl und aus dem Kreis Lindau liefern nach Zaisenhofen. Als Genossenschaftsmitglieder fühlen sie sich mit ihrer Blockadeaktion sicher. 'Wir stehen hier auf eigenem Grund', sagt Franz Willi aus Maria-Thann.
Als ein Tankfahrzeug recht forsch auf die Demonstrantengruppe zufährt, wird die Stimmung kurzzeitig aggressiv. Der Fahrer wird aufgefordert, unverzüglich kehrt zu machen. 'Dreh den Hahn auf und lass die Milch laufen', ruft wütend ein Mann. 'So wie wir das auch machen.' Angesichts des Bauernzorns fährt das Milchfahrzeug unverrichteter Dinge davon. Etwas später will ein Sattelschlepper Emmentalerkäse für den italienischen Markt laden. Zunächst überlegen die Wortführer der Bauern, das Fahrzeug durchzulassen. Als der Lastzug sich in Richtung Milchhof in Bewegung setzt, protestieren viele der Anwesenden laut. Es findet sich kein Fahrer für die geparkten Traktoren. Und so rollt doch kein Emmentaler in Richtung Mailand.
Bürgermeister ist beim BDM
Gegen Mittag schaut der Kißlegger Bürgermeister Dieter Krattenmacher bei den Landwirten vorbei. Er spricht von einem 'historischen Moment' und sagt, er sei Fördermitglied im BDM. Und er warnt die Landwirte: 'Wenn Sie jetzt auseinanderbrechen, haben Sie danach eine Verhandlungsposition, die schlechter ist als je.'
Eine Resolution wird verlesen, obwohl noch niemand aus der Allgäuland-Geschäftsführung auf Blockade und Protest reagiert hat. Am Nachmittag endlich bekommt Franz Willi den Geschäftsführer Dieter Krayl ans Telefon. Als Willi den Wartenden mitteilt, Krayl sei momentan im Milei-Werk mit chinesischen Kunden beschäftigt, gibt es laute Buh-Rufe.
'Wollen die Welt ins Lot bringen'
Schließlich lässt sich doch noch jemand von der anderen Seite blicken. Peter Müller ist Vorstandsmitglied der Allgäuland EG und Präsidiumsmitglied der Allgäuland GmbH. Seine Ausführungen am Mikrofon über die Gesetze des Marktes finden bei den aufgebrachten Bauern freilich kein Gehör. 'Wir sind selbst Teil des Marktes, wir haben das Angebot', ruft man ihm zu. Als Müller sagt, er glaube nicht daran, 'dass man die Welt umdrehen kann', erhält er von Bäuerin Maria Heubuch zur Antwort 'Das wollen wir auch nicht. Wir wollen sie ins Lot bringen.'
Traktorkette bleibt bestehen
Noch einige Milchtankfahrzeuge sind an diesem Tag zu sehen. Auf Höhe Allgäuland drosseln sie die Fahrt, um sie dann angesichts der Traktorkette einfach fortzusetzen. 'Keiner darf rein, keiner darf raus.' Dieses Prinzip gilt wohl noch einen weiteren Tag.