Porträt: Martin Hehl (47) aus Sonthofen gehört zu den poetischen Allgäuer Autoren

31. März 2012 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
ralf lienert

Seine Texte verfasst er meist im geliebten Oberstdorfer Dialekt – Für unsere Zeitung wird er künftig alle vier Wochen eine 'Zugabe' schreiben, allerdings auf Hochdeutsch

Wer sich mit ihm unterhält, versteht ihn. Martin Hehl beherrscht das Hochdeutsche. Doch der Dialekt schimmert als Sprachfarbe immer durch. Und wenn er etwas ganz speziell ausdrücken will, wählt er auch mal tiefstes Oberstdorferisch. Dann wird’s haarig mit dem Verstehen, dann muss man schon mal nachfragen.

Beim Schreiben ist Martin Hehl, der inzwischen in Sonthofen lebt, kompromissloser. Das meiste, was er zu Papier bringt, ist reinste Mundart seiner Heimat Oberstdorf. Wer nicht im südlichen Oberallgäu zu Hause ist, tut sich schwer. Er sei ein Purist, sagt Hehl, also einer, der das Reinheitsgebot des heimischen Dialekts befolgt. Der die Tradition hochhält und gegen Verwässerungen verteidigt. 'Man sollte das Althergebrachte erhalten', sagt er.

Auf diese Weise hat es der 47-Jährige zu einem der herausragenden Mundartautoren des Oberallgäus gebracht. Er hat mehrere Bücher geschrieben und ist ständig auf Lesungen zu erleben – wobei er immer öfter die Grenzen Richtung Ost- und Westallgäu durchbricht.

Selten, aber doch regelmäßig schreibt Martin Hehl auch auf Hochdeutsch – in gereimter Form wie in Prosa. Von dieser Neigung werden wir künftig profitieren. Hehl, beruflich im Landratsamt Oberallgäu in Sonthofen für die Schülerbeförderung zuständig, wird von nun an zum Zugabe-Team unserer Zeitung gehören und alle vier Wochen einen Kolumnentext auf der Seite Allgäu-Kultur veröffentlichen.

Er startet mit einer heiteren Reflexion über die Frühlingsgefühle, die dem Allgäuer fremd sind, weil er sie – so lautet Hehls Schlussfolgerung – gar nicht kennt. Beim ersten Mal wolle er bewusst in Reimform schreiben, um sich als Dichter zu präsentieren, sagt er. Bei künftigen Zugaben werde er aber darauf verzichten.

Hehl gehört nicht zu jenen Mundart-Autoren, die auf schnelle, krachige Pointen aus sind. Oder die den Allgäuer Menschenschlag holzschnittartig beschreiben. Er liebt die leisen Töne. Er sieht und hört genau hin – und fertigt aus seinen Erfahrungen und seinen Gefühlen facettenreiche, poetische Texte, oft garniert mit feinem Humor. Hehl beschreibt die Menschen und ihre Eigenheiten ebenso sensibel wie die Landschaft. Und findet dabei besondere Worte, ausgefallene Perspektiven, überraschende Wendungen.

'Die Leute haben eine Sehnsucht nach authentischer Volksmusik und Mundart', sagt Hehl.

Immer mehr Jugendliche ziehen Tracht an und sprechen 'einen sauberen Dialekt' – Zeichen für eine eigene Identität in Zeiten des Internets und der Globalisierung.

Autoren treffen sich regelmäßig

Erst mit 15, 16 habe er sein erstes Gedicht geschrieben. Für einen Geburtstag. 'Da habe ich gemerkt: Es geht mir leicht von der Hand, und mir fällt schnell ein Reim ein.' Der junge Oberstdorfer, der auch Akkordeon spielt und singt, spürte beim Schreiben etwas Musikalisches. Seine Lehrmeister waren der Oberstdorfer Hans Seeweg, die Hindelangerin Blanka Zettler und der Seeger Pius Lotter.

Zum Hochdeutschen kam Hehl durch das Schreibforum der Kulturwerkstatt in Sonthofen. Seit zehn Jahren moderiert er diesen offenen Kreis von Allgäuer Autoren aller Altersklassen. Alle vier Wochen treffen sie sich, um selbst geschriebene Texte vorzutragen und zu diskutieren. Den 'Club der lebenden Dichter' nennt Hehl den Kreis in Anlehnung an den Spielfilm, 'Der Club der toten Dichter'.

Hehl schreibt meist in seiner Wohnung in Sonthofen. Die Loggia bietet einen schönen Blick auf die Berge – die er ebenso liebt wie das Meer. Viele Gedichte entstehen aber auch in der idyllischen Spielmannsau bei Oberstdorf, wo seine Familie ein Häuschen besitzt. Hehl schreibt meist mit dem Laptop, 'weil’s so kommod ist'.

Einen Stift aber nimmt er immer mit, wenn er aus dem Haus geht, vielleicht fällt ihm ja unterwegs etwas ein. Diesen Satz übrigens sagt er im Dialekt, weil er ihm wahrscheinlich so wichtig ist: 'Ohne Schriebar gang ih idd us’m Hüs'.