Von Silvia Reich-Recla |OberallgäuWenn Edwin Fischer aus Betzigau/Baltenstein in 22 Monaten seinen Bauernhof dicht macht, dann tut er das "mit einem guten Gefühl" - sagt er zumindest. Ein bisschen Wehmut wird bei dem 64-Jährigen schon dabei sein. Sein Sohn habe zwar Landwirt gelernt, dann aber eine sichere Arbeitsstelle beim Staat bevorzugt. Er übernimmt den Hof nicht. "Kein Wunder, wir Bauern bekommen für unsere Milch ja immer weniger," kann er die Entscheidung seines Juniors nachvollziehen.
Bauernsterben hält an
Aber nicht nur der Fischer-Hof wird bald nicht mehr produzieren. Das Milchbauernsterben hält an. Seit Jahren. Derzeit gibt es in Kempten und dem Oberallgäu noch rund 2200 Betriebe. Vor zehn Jahren waren es einige hundert mehr.
Für einen besseren Milchpreis gingen viele Bauern im Frühjahr auf die Barrikaden, kämpften Seite an Seite - ob beim Bayerischen Bauernverband (BBV) organisiert oder beim Streikorganisator BDM (Bund Deutscher Milchviehhalter). Daraufhin stieg der Milchpreis tatsächlich auf über 40 Cent pro Liter, allerdings nur für kurze Zeit. Jetzt ist das Milchgeld wieder gefallen auf unter 35 Cent. Die Discounter senkten auch dauerhaft die Preise für Milch- und Milchprodukte. Viele Landwirte fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, machtlos in den Mühlen großer Molkereien und Lebensmittelketten.
Wir hörten uns bei Bauern in der Region um:
l Martin Hegele (44) aus Altusried (BBV- und BDM-Mitglied) sagt: "Meines Erachtens haben wir mit dem Streik viel zu früh aufgehört. Wären die Regale mit Milchprodukten leer gewesen, dann hätte der Streik dauerhaft mehr Wirkung gezeigt." Das Hauptproblem sei die fehlende Solidarität. "Wir ziehen nicht alle an einem Strang." Der Landwirtschaftsmeister investiert dennoch, und zwar in einen größeren Stall, will von 42 auf 60 Kühe aufstocken.
l Karl Fischer (50) aus Waltenhofen (früher im BBV, jetzt im BDM), ist für eine "variable Milchquote", die Produktion solle sich nach der Nachfrage richten. Die Weichen dafür zu stellen, das habe die Politik versäumt. Denn ob Autobauer oder Matratzenhersteller: "Jeder stellt nur so viel her, wie er zu vernünftigen Preisen auch absetzen kann.
- Nur die Bauern nicht." Um einen guten Milchpreis zu erzielen, wäre Fischer auch bereit, dauerhaft etwas weniger zu produzieren.
l Richard Hiepp (58) aus Leupolz ist eines sonnenklar: "Der Markt ist brutal. Wir Bauern werden die Marktmechanismen aber nicht aushebeln können." Der Preis befinde sich auf einer Berg- und Talfahrt. Während früher Preise für ein halbes Jahr festgelegt wurden, seien es jetzt oft nur noch wenige Wochen. Das BBV-Mitglied hofft, dass sich die Zeiten wieder ändern, sagt "die Hoffnung stirbt zuletzt".
l Andreas Steidele (45) aus Sulzberg ist BDM-Kreisvorsitzender und hat festgestellt: "Manche Bauern resignieren einfach." Er ist für ein striktes Einhalten und eine Beibehaltung der Milchquote. Deutsche Bauern, die mehr produzieren, als ihre Quote erlaubt, sollten finanziell hart bestraft werden, so, wie in anderen Ländern auch.
In Deutschland gebe es jedoch eine liberale Verordnung, die ständige Überlieferungen mit sich bringe. Deshalb sei ein Streik jetzt auch nicht in Sicht.
l Edwin Fischer aus Betzigau ist derweil froh, bald in Ruhestand gehen zu können. Er hat die Nase voll davon, nur so viel Milchgeld zu bekommen, "wie die Herren uns gnädigerweise geben".