Heimlich haben fast alle Musiker Italienisch gelernt. Damit sie ihren toskanischen Dirigenten besser verstehen. Und als sie ihm nach einem halben Jahr in seiner Muttersprache Paroli bieten konnten, "da hat er blöd gschaut", schmunzeln "dHirschegger" noch heute. Inzwischen, nach sieben Jahren, spricht Professor Renato Russo (44) auch recht gut deutsch. Aber ein bisschen Italienisch muss sein. "Bellissima", schmeichelt er im Lokal der jungen Bedienung, die nach seinen Wünschen fragt. Und das "allora", zu deutsch "so, also", ist in der Musikkapelle Hirschegg inzwischen ein geflügeltes Wort.
Russo, der aus Larciano, einem Dorf unweit von Vinci, stammt, studierte an der Musikhochschule Florenz Klarinette, Musikgeschichte, Harmonielehre, Komposition und Dirigieren. Er leitete das Orchester an der "Opera" in Florenz und dirigierte drei Kapellen in der Toskana, bis ihm das Mammutprogramm zu viel wurde. Er heuerte für sieben Jahre auf einem Kreuzfahrtschiff als Alleinunterhalter an (Gesang, Keyboard, Saxophon), bis er von einer freien Stelle an der Musikschule Kleinwalsertal hörte.
Die Ruhe im Tal gesucht
"Ich habe gesehen dieses Tal, das wie ein Dorf ist", sagt Russo. Hier, unweit der Heimat, hoffte der vielseitige Musiker die Ruhe zu finden, die er für seine Musik und seine Kompositionen brauchte.
Und als der Musikverein "dHirschegger" einen neuen Kapellmeister suchte, klopfte Obmann Helmut Morche bei dem Italiener an, der nach einigem Zögern ("schon wieder eine Kapelle") zusagte.
Bereut haben diese Zusammenarbeit weder die Musiker noch der Dirigent. Russo brachte frischen (italienischen) Wind in das 20 Jahre alte Repertoire. "Wir waren richtig stolz", erinnert sich Morche an das erste Osterkonzert mit Russo, der die Zugaben einstudiert hatte. Die Zuhörer haben nachher gestaunt: Das sei eine andere Kapelle gewesen.
Die Musiker sind "lustige Leute, sehr interessiert und sehr konzentriert", freut sich Russo wiederum auf die wöchentlichen Übungsstunden, in denen viel "probiert und experimentiert" werde. Für ihn steht an erster Stelle die Musikalität, die aus dem Herzen kommt. Die Noten, sagt er, machten gerade 50 Prozent aus, alles "perfetto" reiche nicht, wenn nicht mit dem Herzen gespielt werde. Denn sonst gebe es keine Kommunikation mit dem Publikum.
Diese Sätze unterschreibt Franz Drexel gern. Der 63-jährige Baumeister und Schlagzeuger ist seit über 50 Jahren Mitglied der Kapelle. Er kennt "dHirschegger" von Kindesbeinen an, ist er doch in dem Haus aufgewachsen, in dem die Proben stattfanden. Er war zehn, als er die Klarinette erlernte: "Ich hab nix anderes verbloset".
Seit rund 20 Jahren sitzt er am Schlagzeug ("weil niemand da war") und genießt es, augenzwinkernd, "dass alle auf mich hören müssen".
Helmut Morche, der 47-jährige Einzelhandelskaufmann aus Riezlern und seit 1991 Trompeter bei den Hirscheggern, schätzt die Musik als Abwechslung zum Leben, ob privat oder beruflich. Zur Trompete kam er, weil seinem älteren Bruder das Instrument zu Weihnachten geschenkt wurde. "Zu Ostern lag es schon unterm Schrank", erinnert sich Morche, der dann als 12-Jähriger die Trompete hervorkramte und - recht gekonnt - die ersten Töne produzierte.
Trompete spielt auch Lorenz Geiger (60). Er ist seit 45 Jahren in der Kapelle und hat 2360 Einsätze hinter sich. "Das ist der Rekord", lächelt Drexel. Geiger, von Beruf Malermeister, habe eben selten Probe oder Auftritt verpasst. Vielleicht, weil für ihn die Kameradschaft und die Geselligkeit "schon fast im Vordergrund steht".
Das Osterkonzert als musikalischer Höhepunkt des Jahres findet heuer am Ostersonntag, 4. April, um 20 Uhr im Walserhaus Hirschegg statt. Auftreten werden die Walser Jugend-Band ("Wajuba") unter der Leitung von Musikschuldirektor Michael Herrles, der Musikverein "dHirschegger" und - eigens für das Konzert zusammengestellt - die Chorvereinigung Kleinwalsertal unter der Leitung von Professor Renato Russo. Gespielt und gesungen werden unter anderem Werke von Purcell, Schubert, Jakob de Haan, aber auch von Rossini und Verdi.