Kaufbeuren (rim). - Lediglich 61 Schüler wurden in dem 1906 neu eröffneten öffentlichen Progymnasium der Stadt Kaufbeuren von fünf Lehrer unterrichtet. Eine humanistische Schule, in der Latein und Griechisch als Fremdsprachen gelehrt wurden. Heute gibt es daneben auch noch den neusprachlichen und den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig. 87 Lehrer kümmern sich dabei um 1250 Kinder und Jugendliche, die überwiegend aus Kaufbeuren und dem nördlichen Landkreis Ostallgäu kommen. Der Direktor des Gymnasiums, Heinz-Peter Kempf, organisiert nun die Feierlichkeiten für den 100. Geburtstag. Den Bürgern Kaufbeurens lag das Schicksal ihrer Schule um die Jahrhundertwende stark am Herzen. Am liebsten hätten sie die private Lateinschule, die es in der Stadt gab, 1906 in ein neunstufiges Gymnasium verwandelt gesehen. Jedoch sprach das Königreich Bayern der Stadt nur ein Progymnasium zu, in dem bis zur zehnten Klasse unterrichtet wurde, berichtet Werner Weirich, Lehrer am Jakob-Brucker-Gymnasium. Die Kaufbeurer Kinder, die eine höhere Schule besuchen wollten, mussten dadurch zunächst nicht mehr andernorts in Internaten untergebracht werden. Erst für die Klassen 11 bis 13 war man gezwungen, auf Städte wie Kempten oder Augsburg auszuweichen. Während des Ersten Weltkriegs sank die Schülerzahl durch Einberufungen beträchtlich. Lediglich 35 Gymnasiasten zählte man 1918. Zu Beginn der 20er Jahre wurde von verschiedenen Seiten die Schließung gefordert, wie Weirich berichtet. Der Bürgermeister von Kempten, Dr. Otto Merkt, behauptete, dass die Schule 'nur arbeitslose Stehkragenproletarier' hervorbringe. Die Stadt gab dem Druck aber nicht nach. Ein Vorzeigeprojekt sollte das Gymnasium im Dritten Reich sein. Im Martinsheim, dem dazugehörigen Internat, sollten die Kinder und Jugendlichen fernab der Eltern auf den Nationalsozialismus eingeschworen werden. Maria Gaebele, die von 1938 bis 1975 als Sekretärin an der Schule tätig war, erinnert sich noch daran, wie in Kriegszeiten der Mangel regierte.
'Ich habe Papier von den Akten herausreißen müssen, weil es keines gab.'Sechs verschiedene Direktoren lernte Gaebele kennen. Über Hans Grauvogl, der von 1949 bis 1958 die Schule leitete, sagt sie, dass er ausgesprochen streng gewesen sei. 'Er hat für Zucht und Ordnung gesorgt. In der heutigen Zeit käme er damit nicht mehr durch.' Sie kam aber bestens mit ihm aus. Nachsicht mit den Schülern habe vor allem Dr. Richard Thiele (Schulleiter von 1958 bis 1969) gezeigt. 'Wenn sie etwas angestellt haben, hat er es übergangen', so Gaebele. Nach dem Krieg strömten viel mehr Kinder und Jugendliche an das Gymnasium. Innerhalb von vier Jahren stieg deren Zahl um 500 auf 822 im Jahr 1950. In die Klassen gingen zum Teil mehr als 50 Schüler. Damals sei auch eine komplette Mädchenklasse des Mariengymnasiums an die Schule gekommen, weil dort ein Zweig geschlossen wurde, erzählt Josef Zeiser, ehemaliger stellvertretender Direktor und damals selbst Schüler. 'Für uns war das eine kleine Sensation.' Als der Mädchenklasse dann zehn Jungen zugeteilt wurden, habe jeder insgeheim darauf gehofft, dass er zum Zuge kommt. Aber: 'Nur sittlich Gefestigte hat man ausgewählt', berichtet Zeiser. Mit der Einführung der Kollegstufe in den 70er Jahren entstanden an der Schule ganz neue Rituale wie der Abischerz. Zu den wilden Zeiten in den 80er Jahren konnte es schon passieren, dass eines morgens die Tür ins Lehrerzimmer zugemauert war oder ein Trabbi in der Aula stand. Heute sehnen sich die Schüler offenbar nicht mehr nach einer Generalabrechnung mit der Institution. Das Schulklima hat sich im Lauf der Zeit beträchtlich gewandelt. Mit dem Abi-Denkmal hinterlässt jeder Jahrgang ein Erinnerungsstück für Lehrer und nachkommende Schüler. Ein Zeichen dafür, dass die Schulzeit mittlerweile überwiegend positiv eingeschätzt wird.