Interview Der Schauspieler, Stoiber-Parodist und "Bruder Barnabas" Michael Lerchenberg liest im Kornhaus Texte des bayerischen Dichters">

Artikel: "Ludwig Thoma ist ein schwieriger Charakter"

5. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Interview Der Schauspieler, Stoiber-Parodist und "Bruder Barnabas" Michael Lerchenberg liest im Kornhaus Texte des bayerischen Dichters

Kempten"Ludwig Thoma, ein schwieriger Bayer" ist der Titel eines literarisch-musikalischen Abends am Montag, 10. November (20 Uhr), im Kemptener Kornhaus. Gestaltet wird der Abend, der gleichzeitig die letzte Veranstaltung des APC-Sommers 2008 ist, von dem Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautoren, Intendanten und Edmund-Stoiber-Parodisten Michael Lerchenberg und dem "Crème duett", das sind Marlene Eberwein (Harfe) und Richard Köll (Klarinette, Saxofon). Michael Dumler unterhielt sich darüber mit dem 55-jährigen Michael Lerchenberg, der Thoma-Texte rezitieren wird.

Herr Lerchenberg, warum ist Ludwig Thoma ein schwieriger Bayer?

Lerchenberg: Na ja, er war ein schwieriger Charakter. Heute würde ein Psychologe sagen: Er war verhaltensauffällig. Er hatte ein hohes Aggressionspotenzial, was er auch in seine Briefen und seinen Texten selber zugibt. Da schreibt er dann beispielsweise, dass die Wut über bestimmte Zustände gesellschaftspolitischer Art in ihm frisst. Und aus dieser Wut heraus ist er geradezu ein literarischer Sprengkörper. Seine Zeitgenossen haben ihn auch so empfunden. Er ist ein spannender Charakter einerseits, aber andererseits auch ein Literat von hoher Qualität, von einer unglaublichen Sprachkraft. Sein Vermögen mit Sprache umzugehen ist sensationell.

Wie nähern Sie sich denn ihm in ihrem Programm?

Lerchenberg: Ludwig Thoma ist ein derart komplexer Autor, dass es schwierig ist, einen roten Faden zu finden. Er ist unglaublich vielseitig, er hat große Prosa, Theaterstücke und Gedichte geschrieben, eben nicht nur im Dialekt sondern vor allem auch in der Hochsprache. Es ist also ein großer Spagat, den wir machen. Aber in der Beschäftigung mit ihm bin ich auf etwas gekommen: Man kann Thoma und seinen schwierigen Charakter und auch die Veränderung in seinem Leben wunderbar darstellen in seinem Verhältnis zu Frauen. Das ist der eigentlich rote Faden: Es beginnt bei seiner Mutter und endet bei seiner letzten großen unerfüllten Liebe.

Was bedeuten Thoma-Texte für einen Rezitator?

Lerchenberg: Er schreibt sehr theatral und in seinen Prosatexten fast ausschließlich in der wörtlichen Rede. Man kann die Dialogqualität seiner Texte quasi eins zu eins übernehmen. Es ist natürlich spannend für einen Schauspieler, wenn man die verschiedenen Figuren im Rahmen einer Lesung lebendig werden lassen kann, zum Beispiel Tante Frieda aus den "Lausbubengeschichten" oder den kleinen Ludwig und seine Schwester.

Ihre Lieblingstexte von Ludwig Thoma?

Lerchenberg: Zum einen ist es die Heilige Nacht. Das ist ein sensationell guter Text und zurecht unvergessen. Und dann ist da auch der Einakter "Erste Klasse", die Geschichte, die in einer Eisenbahn spielt, mit diesem Landtagsabgeordneten, weil das auch so wunderbar satirisches Theater ist. Das ist große Meisterschaft und ein großer Spaß.

Wie beurteilen sie den Stellenwert Thomas heute?

Lerchenberg: Hauptanlass für Ludwig Thoma ist leider nur Weichnachten, wenn seine Heilige Nacht gelesen wird. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man aufgrund der politischen Diskussion, die man über ihn geführt hat, zum Teil in einem anderen Licht sieht. Aber die literarische Qualität des Thoma ist unbestritten, auch wenn er am ende seines Lebens politisch mit Dreck um sich geworfen hat.

Neben Thoma-Texten gibt es in Kempten auch Musik

Lerchenberg: Ja, die Musik wird eigentlich fast als Kontrapunkt eingesetzt. Es geht also weniger um Volksmusik, sonder es geht auch ein bisschen jazzig zu, mit Klezmer-Anklängen.

Sie gaben ja heuer auf dem Nockherberg bei München den Bruder Barnabas, der den Politikern gehörig die Leviten liest. Werden Sie das auch 2009 tun?

Lerchenberg: Ja, da freue ich mich schon darauf. Das wird sehr spannend, denn es gibt ja jetzt einige neue Köpfe in der bayerischen Politik.

Karten für den Ludwig-Thoma-Abend mit Michael Lerchenberg und dem "Crème duett" am Montag, 10. November (20 Uhr), im Kornhaus in Kempten gibt es im AZ-Service-Center in Kempten.