Kempten/Frankfurt: Licht in ein dunkles Kapitel

21. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
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Politisches Buch - Klaus Gietinger deckt Hintergründe der Morde an den Sozialistenführern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf

Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich der aus Lindenberg (Westallgäu) stammende Filmregisseur, Drehbuchautor und Sozialwissenschaftler Klaus Gietinger (53) mit der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts im Januar 1919. Im Rahmen seiner Biografie über den Konterrevolutionär, Offizier, Rüstungsmanager und Waffenhändler Waldemar Pabst (1880 - 1970) deckt Gietinger nun dramatische Hintergründe auf: Nach seinen Recherchen haben die Täter des folgenreichen Doppelmordes an den beiden Kommunistenführern mit der damaligen SPD-Führung kooperiert.

Gietingers Pabst-Buch liest sich streckenweise so spannend wie ein Krimi. Denn die Hauptfigur ist eine schillernde: Pabst bewegte sich sein ganzes Leben lang chamäleonartig an den Schnittstellen von Politik und Macht. Noch 1962 hatte er in einem Spiegel-Interview erklärt, er habe im Januar 1919 als Generalstabsoffizier in Berlin Luxemburg und Liebknecht "richten" lassen. Pabst musste sich trotz dieses eingestandenen Mordkomplotts nie vor Gericht dafür verantworten. Ein Skandal, auch für Gietinger. "Es gab damals in der bundesrepublikanischen Justiz viele Alt-Nazis", erzählt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Und auf die konnte sich Pabst offensichtlich verlassen. Die gegen ihn gerichteten Anzeigen, darunter auch eine von Karl Liebknechts Witwe, blieben wirkungslos. "Pabst war sich damals sicher, dass ihn im Westen niemand mehr verfolgen wird", sagt Gietinger.

Zum 90. Jahrestag des Mordes veröffentlichte er auch seine bereits 1993 erschienene und neu überarbeitete Schrift "Eine Leiche im Landwehrkanal" wieder, in der er minuziös die letzten Tage der Rosa Luxemburg rekonstruiert (Klaus Gietinger: Eine Leiche im Landwehrkanal - Die Ermordung Rosa Luxemburgs. Edition Nautilus, Hamburg, 192 Seiten, 13,90 Euro).

Zweieinhalb Jahre lang hat der gebürtige Westallgäuer, der heute in Frankfurt lebt, in Archiven in Deutschland, Österreich und der Schweiz über Waldemar Pabst geforscht. Er führte damit auch die Arbeit der 2005 verstorbenen Bremer Historikerin Doris Kachulle, fort. "Pabst war 1918 in Berlin der militärisch wichtigste Mann", resümiert Gietinger. Und als solcher stand er in engstem Kontakt zur Regierung, und vor allem zum SPD-Mann Gustav Noske, dem Volksbeauftragten für Heer und Marine.

Noske habe zwar keinen direkten Mordauftrag erteilt, habe Pabst aber signalisiert, dass er nichts gegen eine Beseitigung der beiden Kommunistenführer habe, recherchierte Gietinger. Die Mörder hätten dadurch Rückendeckung durch die damalige sozialdemokratische Regierung gehabt, folgert er in seinem Buch.

Geburt des Faschismus

Durch die Vernichtung der Novemberrevolution durch Leute wie Pabst sei erst der Faschismus entstanden, glaubt Gietinger. Die Pabst-Akte sei für die SPD "ein dunkles Kapitel". Gietinger: "Wenn man so selbstgerecht wie die SPD gegenüber anderen Parteien auftritt, schaut man ungern in den eigenen Keller, welche Leichen dort liegen."