Artikel: Landwirtschaft wird an die Wand gedrängt

19. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

Düstere Einkommensprognose - Diskussion im Kreistag

Kimratshofen/Oberallgäu (uw). - 'Wenn es so weitergeht, wird es im Oberallgäu Gemeinden geben, die keinen einzigen Bauern mehr haben.' Die Prognose zog Dr. Leopold Herz, FW-Kreisrat und Oberallgäuer BBV-Obmann, vor dem Oberallgäuer Kreistag. Unter dem Motto 'Wir jammern nicht, sondern stellen Fakten dar', machten er und seine Fraktionskollegin, Kreisbäuerin Ulrike Müller, deutlich, wie Landwirtschaft zunehmend an die Wand gedrängt werde. Die Bedeutung der Landwirte für Fremdenverkehr und Landschaftspflege ist unbestritten. Die rund 3000 Betriebe im Oberallgäu halten im Schnitt 21 Kühe, wobei viele nur Nebenerwerbs-Landwirte sind. 99 von 100 Bauernhöfen nehmen am Kulturlandschaftsprogramm teil - ein Umweltprogramm, bei dem man auf mineralische Stickstoffdüngung verzichtet. Immerhin 8,5 Prozent sind Ökobetriebe. Doch in den vergangenen zehn Jahren sank die Betriebszahl um 16 Prozent, die Zukunftsprognosen sind schlecht: Herz verwies auf sinkende Milchpreise und die Ungleichbehandlung in der Europäischen Union: 'Wir haben in Deutschland den höchsten Hygienestandard und die höchsten Kosten, sollen aber bei EU-Preisen mithalten.'

Probleme verschärft Die EU-Osterweiterung verschärfe die Probleme. Dabei ist die Einkommenssituation bereits heikel: Im Wirtschaftsjahr 2001/2002 sank der Betriebsgewinn der großen Haupterwerbslandwirte auf rund 31500 Euro. Die Schätzung fürs Geschäftsjahr 2002/2003 ist mit nur mehr 24915 Euro weitaus düsterer. Laut CSU-Landtagsabgeordnetem Josef Zengerle bringt allein der gegenüber 2001 um vier Cent gesunkene Milchpreis in Schwaben einen Kaufkraftverlust von 80 Millionen Euro. Kreisbäuerin Ulrike Müller stellte die Arbeit der Landfrauengruppe und die Bedeutung der Bauern fürs Dorfleben dar. Sie skizzierte aber auch eine besorgniserregende Situation: Immer mehr Betriebe seien überschuldet, die psychische Belastung in den Familien wachse. Die Direktvermarktung bringt laut Müller nur etwa zwei Prozent des Einkommens: 'Regionale Bindung ja, aber das Geld wird in der Ferne verdient.' Zitat Wir können die Milch nicht weiß-blau einfärben. Sie ist weiß - egal ob sie aus Polen, England oder dem Allgäu kommt.} CSU-Kreisrätin Claudia Gschwind (Altusried) Willi Reitemann (CSU) bemängelte, dass Pflegeheime auf kleinste Preisvorteile achteten statt regionale Produkte einzukaufen. Renate Hinz (CSU) bedauerte, dass viele Allgäuer statt Qualität aus der Region vermeintlich bessere Produkte aus dem Ausland wählten. Auch Landtagsabgeordneter Adi Sprinkart (Grüne) forderte mehr regionale Vermarktung, räumte aber ein, dass es oft andere Ausgabenschwerpunkte gebe: Statt etwas mehr für hochwertige Lebensmittel zu bezahlen, würden etwa zusätzliche Autos finanziert. Zur EU-Osterweiterung meinte Sprinkart: 'Wir exportieren dreimal so viel nach Polen wie die zu uns.' Wenn die Werbung stimmt, lasse sich nach biologisch-ökologischen Grundsätzen erzeugte Milch über die Grenzen hinweg verkaufen, war Claudia Gschwind (CSU) überzeugt.