Gold - ein magisches Material, das die Menschen schon immer fasziniert hat. Symbol für das Zeitlose, Ewige. Eine international erfolgreiche Goldschmiedin gestaltet seit fast 40 Jahren im Oberallgäu Kunst am Körper: Doris Neumann zählt zu den renommiertesten Vertreterinnen dieses alten Handwerks und hat mit ihrem Schmuck einen ganz eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt.
Wer etwas zum Glitzern und Protzen sucht, ist bei ihr an der falschen Adresse. Noble Zurückhaltung bestimmen die Atmosphäre in Werkstatt und Ausstellung. Wo normalerweise ein "Brilli" den Ring krönt, lässt Doris Neumann lieber Luft. Offenheit, Durchlässigkeit und Transparenz signalisieren viele ihrer Kreationen. Das Material beginnt zu tanzen. Wie bei guten Skulpturen spielt der Zwischenraum mit, ja ist mitunter das Entscheidende. Auf einem Ehering berühren sich zwei filigrane Herzen, "die sich gegenseitig Raum lassen".
Reduzierter, meditativer Stil
Die liebsten Formen sind der Schmuck-Künstlerin solche, "die aussehen, als seien sie schon immer da gewesen". Nichts Überflüssiges, kein Schnickschnack. Der reduzierte meditative Stil erzählt fast von selbst, dass die Gestalterin dem Buddhismus nah ist. Schon als Jugendliche war sie fasziniert von den Fotos japanischer Zen-Gärten. "Das wusste ich gleich: Das ist es."
In ihrer Arbeit verblüfft die Balance zwischen Strenge und spielerischer Leichtigkeit. Zum Gold gesellen sich bei Doris Neumann keine Edelsteine, sondern Glas. Aber nicht, wie üblich, als Ersatz und Imitat für Edelsteine. In Deutschland war sie 1971 eine der ersten, die mit diesem Material neue Wege ging und dessen Ästhetik für zeitgemäßen Schmuck nutzte - ob heiß oder kalt verarbeitet. Bisher verlangte die Kombination unterschiedlicher Glas-Farben viel Erfahrung, weil jede ein anderes Ausdehnungsverhalten bei Hitze hatte.
Seit kurzem gibt es Gläser, die sich problemlos zusammenschmelzen lassen.
Schon nach sechs Jahren Selbstständigkeit war Neumann auf den großen internationalen Schmuckschauen vertreten, bekam nach neun Jahren den Bayerischen Staatspreis und entwickelt seit Jahrzehnten Schmuckstücke, die es so vorher nicht gab. Werke von ihr sind im Kunstgewerbemuseum Berlin, Corning Museum of Glass in New York und in der "Neuen Sammlung" im Museum für angewandte Kunst und Design in der Pinakothek der Moderne in München. Dass manche ihrer Ideen von der Industrie kopiert werden, damit hat sie sich abgefunden. Die geistige Urheberschaft schützen zu lassen, ist teuer und lohnt sich nur bei Massenproduktion.
Und warum gerade Schmuck? "Weil hier der Mensch das Maß aller Dinge ist", sagt Neumann. "Schmuck ist nicht bloß Dekoration, sondern gibt im besten Fall seinem Träger Kraft und begleitet ihn durchs Leben." Manche Menschen hängen so an ihrem Schmuckstück, dass sie nach 20 Jahren wiederkommen, um es reparieren zu lassen. "Wo gibt´s denn in unserem Wegwerf-Zeitalter noch so was?"