Ottobeuren/Unterallgäu Seele und Herz gehören traditionell zusammen. Wenn also die Seele krank ist, ist es dann auch das Herz? Sylvia Rustler hat sich darüber mit Internist Dr. Ulf Bitzer und Psychiater Hermann Leinfelder unterhalten. Die beiden Experten arbeiten an der Kreisklinik in Ottobeuren.
Die Kreiskliniken Mindelheim und Ottobeuren veranstalten bis Mittwoch, 23. Juli, die Aktion "Hand aufs Herz". An Informationsabenden in verschiedenen Kommunen im Unterallgäu lernen Besucher, wie sie im Notfall - etwa bei einem Infarkt - Menschenleben retten können. Die Memminger Zeitung begleitet das Projekt und beleuchtet verschiedene Aspekte zum Thema Herz und Erste Hilfe.
Herr Bitzer, Herr Leinfelder, besteht ein Zusammenhang zwischen seelischen Schmerzen und Erkrankungen des Organs?
Bitzer: Der Zustand der Seele hat tatsächlich einen großen Einfluss auf das Herz. Untersuchungen zeigen, dass psychische Faktoren das Risiko einer Herzerkrankung verdoppeln können. Außerdem wirkt sich eine kranke Seele auch negativ auf den Verlauf von Herzerkrankungen aus und kann sogar das Risiko erhöhen, daran zu sterben.
Leinfelder: Vor allem Depressionen steigern das Risiko für einen Infarkt oder eine koronare Herzerkrankung. Grundsätzlich gilt: je stärker depressive Symptome wie Antriebslosigkeit, gedrückte Stimmung und Interesselosigkeit ausgeprägt sind, desto größer ist auch das Risiko.

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Wie kann man das erklären?
Bitzer: Depressionen verändern die Eigenschaft der Blutplättchen so, dass diese zum Verklumpen neigen. Es kann also zur Verstopfung von Gefäßen kommen, was eine koronare Herzkrankheit und letztlich auch einen Herzinfarkt begünstigt. Außerdem ist bei depressiven Menschen die Anpassungsfähigkeit der Herzfrequenz vermindert. Das kann zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen und einen plötzlichen Herztod bedingen.
Daneben werden bei einer schlechten psychischen Verfassung unter anderem auch vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, was den Blutdruck gefährlich steigen lässt.
Leinfelder: Depressionen wirken sich aber auch indirekt negativ auf die Gesundheit des Herzens aus. Zum Beispiel rauchen depressive Menschen mehr, bewegen sich weniger und nehmen Medikamente unzuverlässiger ein.
Herr Bitzer, sie haben gesagt, dass Stress das Herz belastet. Jetzt ist ja gerade ein Herzinfarkt für einen Patienten extremster Stress
Bitzer: Genau. Nicht nur Menschen, die sich im Alltag oder beruflich stark engagieren, stehen oft unter negativem Stress, der die Gesundheit des Herzens beeinträchtigen kann. Auch ein Herzinfarkt und die erste Zeit danach - wenn man sich bewusst wird, dass man krank ist und dass ein so wichtiges Organ betroffen ist - ist für viele sehr belastend. 65 Prozent der Patienten haben nach einem Herzinfarkt depressive Symptome, 20 Prozent erkranken an einer Depression.
Leinfelder: Immer wieder kommt es auch zu Angststörungen und Panikattacken. Oft haben Betroffene solche Angst vor einem erneuten Infarkt, dass sie selbst Symptome wie eine kurze Atemnot bei einer Bronchitis aus dem Gleichgewicht bringen können.
Andersherum kommt es auch immer wieder vor, dass Personen - etwa bei einem Engegefühl in der Brust - mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Klinik kommen und in Wirklichkeit an einer psychischen Erkrankung leiden. In das Herz wird gefühlsmäßig sehr viel hineininterpretiert.
Psyche und Herz reagieren also aufeinander. Welche Schlüsse muss man daraus ziehen?
Leinfelder: Es ist wichtig, dass Herzexperten und Psychiater zusammenarbeiten - und zwar nicht nur nach einem Infarkt. In Ottobeuren legen wir großen Wert darauf. Bislang wurden in der Medizin psychische Erkrankungen oft übersehen und ihre Auswirkungen auf den Körper verkannt. Außerdem sollten Betroffene zu ihrer Erkrankung stehen und sich helfen lassen. Depressionen sind oft ein Tabuthema.
Im Volksglauben ist die Wechselwirkung zwischen Seele und Herz schon lange verankert. Der Volksmund spricht etwa vom Tod an gebrochenem Herzen. Nach allem, was sie gesagt haben, gibt es diesen also tatsächlich
Leinfelder: Wenn man den Ausdruck "gebrochenes Herz" mit Depression gleichsetzt, muss man das mit ja beantworten. Es gibt Studien, wonach nach dem Tod eines Partners die Wahrscheinlichkeit erhöht ist, dass auch der andere stirbt.