'Zieht den Börsianern die Anzughosen aus ' Als Konstantin Wecker diesen Refrain singt, kommt Stimmung auf. Wie so oft an dem Abend in der Big Box in Kempten, wenn der Liedermacher aus München den Kapitalismus aufs Korn nimmt, wenn er von Ungerechtigkeiten singt, von Rücksichtslosigkeit, Ausbeutung, Zerstörung.
Die rund 1500 Zuhörer applaudieren heftig. Vor einigen Jahren noch hätten vielleicht viele von ihnen den Kopf über Weckers Sottisen geschüttelt – nach dem Motto: Was will der Altlinke denn in diesen wohlstandssatten Zeiten mit seinen kritischen Liedern? Die Zeiten aber haben sich geändert. Und so wirkt der Auftritt in Kempten wie das Konzert zur Krise, wie die Musik zur Misere.
'Wut und Zärtlichkeit' hat Wecker seine jüngste CD und die aktuelle Tour dazu genannt. Von Altersmilde ist bei dem inzwischen 64-Jährigen nur wenig zu spüren. Die wilde Wut früherer Jahre ist zwar ein wenig verraucht (auch wenn er vehement fordert 'Empört euch!'). Wecker pflegt nun mehr die Ironie und den Spott. Aber die intellektuelle Schärfe, die sich so schön mit Wortmächtigkeit paart, ist geblieben. Etwa in dem Lied 'Absurdistan'. 'Will auch dabei sein im Karussell der Reichen und Schönen und Klugen', singt er da. Es ist das sarkastische Glaubensbekenntnis eines Menschen, der unkritisch alles hinnimmt, was ihm Politik und Wirtschaft zumuten.
Und so wie Wecker das in optimistische Klänge verpackt, ist bei jeder Silbe klar, wie absurd das Leben in Zeiten der permanenten Krisen und Katastrophen geworden ist. Keine Frage: Konstantin Wecker ist aktueller denn je.
Gedanken übers Altern
Weckers Zärtlichkeit hat unter der Wut nicht gelitten. Der Mann kann einfach wundervoll-poetische Liebeslieder komponieren. Immer öfter mischen sich Gedanken über das Altern ein. Auch da ist er schonungslos. Wer traut sich schon, in einem Pop-Konzert so offen über Sterben und Tod zu singen, wie Wecker in 'Es geht zu Ende'?
Egal ob wütend oder zärtlich, seine Texte verpackt er nach wie vor in mitreißende Musik. Jo Barnikel sorgt mit Klavier, Keyboard und Bass virtuos für den Unterbau, Jens Fischer mit Gitarre und Schlagzeug sowie Nils Tuxen mit der kuriosen Pedal Steel Guitar mischen allerlei Farben bei.
Am Ende des Konzerts, in dem fast dreiviertelstündigen Zugabeblock, geht Wecker sogar auf die Tribüne, nimmt ein Bad in der Menge der Gleichgesinnten, die sich von ihren Plätzen erhoben haben und nicht nur mitklatschen und mitsingen, sondern sich zugleich verneigen vor diesem unermüdlichen und unbeirrbaren Kritiker der spätkapitalistischen Verhältnisse.