Artikel: Konrad - Traum gestresster Eltern?

18. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

Christine Nöstlingers Stück als Familientheater, das zum Nachdenken anregen soll

Von Wolfgang Niederauer, Marktoberdorf - Das perfekte Kind: wohl erzogen, ordentlich, strebsam. Ist das nicht der Traum aller gestressten Eltern? In Christine Nöstlingers Geschichte vom 'Konrad oder Das Kind aus der Konservendose' wird dieser utopische Wunsch zur Wirklichkeit. Mit starken, kontrastreichen Bildern hat das Landestheater Schwaben die schon 1975 ausgedachte Kindergeschichte in eine klischeegewürzte Bühnenfassung gepackt. Dass Markus Becks Inszenierung im Modeon vor nicht allzu üppiger Publikumskulisse zur Aufführung kam, ist wohl der vorweihnachtlichen Terminfülle zuzuschreiben. Die, die gekommen waren, erlebten gehaltvolle 90 Minuten Familientheater, das zwar nicht zur Nachahmung, wohl aber zum Nachdenken anregen sollte. Die Handlung, in viele kurze Szenen gegliedert, hält sich weitgehend an die Buchvorlage. Der siebenjährige Konrad, mitfühlend gespielt von Piet Moedebeck, ist ein künstlich hergestelltes Kind. An eine falsche Adresse geliefert, sorgt er bei seinen überraschten Zieheltern, der schrillen Berti Bartolotti (Anke Fonferek) und dem pflichtbewussten Apotheker Egon (Jochen Ganser), nur kurz für Verwirrung. Auch die rotzfreche Kitti freundet sich rasch mit Konrad an. Die Verhältnisse, unter denen der Musterknabe aufwächst, machen es ihm aber nicht leicht. Frau Bartolotti liebt es grell und unkonventionell. Alles an ihr ist schräg, was durch die schiefe Kulissenführung in ihrer Wohnung herrlich hinterlegt wurde. Trotzdem entwickelt Berti unversehens mütterliche Gefühle: 'Er braucht Zuneigung'. Für ihren 'Dienstags- und Sonntagsfreund' Egon dagegen verläuft das Leben in geraden Bahnen. Er schätzt das Kind wegen seiner manierlichen Art. Ihn drängt es regelrecht in die Vaterrolle, um Konrads Qualitäten gefördert zu sehen. Doch die Idylle hält nicht lange vor.

Als die Instant-Fabrik, wo Konrad von sterilen Maschinenwesen geschaffen wurde, den Computerfehler bemerkt, will sie ihr 'Produkt' zurück haben. Aber die neue 'Familie' hält zusammen und setzt alles dran, die Auslieferung zu verhindern. Eine List muss her, nachdem die silbergrauen Schergen des Fabrikbesitzers nicht locker lassen. Die Lösung verspricht ein 'Wiff-Zack-Blitz-Kneißer-Einfall': Aus dem artigen Knaben soll ein 'richtiger' Junge werden, der Wände beschmiert, die Zunge herausstreckt und mit Schimpfwörtern um sich wirft. Für Konrad kommt es zur Identitätskrise: 'Ich kann nicht anders sein, als ich bin'. Vater Egon macht sich schweren Herzens an die Umschulung. Seine rüde Methode, gutes Benehmen heraus zu boxen, um Platz für Flegeleien zu schaffen, sorgt zwar für schadenfrohe Lacher im Publikum, aber ganz wohl ist den Kindern nicht dabei. In Christine Nöstlingers Buch übernimmt ausschließlich Kitti die Umerziehung und macht das mit mehr Feingefühl. Als der gepeinigte Junge endlich stotternd und hüpfend ein 'du Trottel' über seine Lippen bringt, ist die Freude überschwänglich: 'Er lernt fantastisch schnell'. Auch das Publikum bekommt die 'Fortschritte' zu spüren. Mit einem Spritzgewehr jagt Konrad begeistert einen Wasserstrahl nach dem anderen in die Ränge. Dafür gab es dann auch einige deutliche Stinkefinger als Reaktion. Beim Auftritt des Fabrikbesitzers mit der 'rechtmäßigen' Mutter ist Konrad längst 'geheilt'. In Rapper-Manier, schockiert er seinen Erzeuger mit dem Gelernten. Die Kinder feuern Konrad an, indem sie stampfend und klatschend den Takt halten. Der Auftrags-Mutter wird das zuviel: 'Ich gehe jetzt einen Hund kaufen', entrüstet sie sich und macht den Abgang. Konrad ist gerettet. Aber Zweifel plagen ihn: 'Muss ich jetzt immer so bleiben?' 'Nein', hallt es ihm entgegen: 'Irgendwie werden wir es schon schaffen.' Am kräftigen Applaus war zu hören, dass auch die Kinder daran glauben.