Memmingen: Komplimente und Seitenhiebe

10. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

CSU-Neujahrsempfang - Dr.Theo Waigel fordert Vertrauen ein und verbreitet Zuversicht

Pünktlich wie ein Maurer betritt Dr. Theo Waigel um 19.29 Uhr den Saal des Maximilian-Kolbe-Hauses, der bis auf den allerletzten Platz besetzt ist. Sofort brandet freundlicher Beifall auf. Der frühere Bundesfinanzminister ist gekommen, um beim Neujahrsempfang der Memminger CSU zu sprechen.

Entspannt und gelassen wirkt er, der frühere Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union. Vom Rednerpult aus verteilt er gleich Komplimente: Er habe viele Anfragen bekommen. Doch er habe nur für zwei Neujahrsempfänge zugesagt: in Nesselwang, "weil ich dort 1950 als Ministrant meine erste Bergtour gemacht habe" - und eben in Memmingen. Selbst dem Ministerpräsidenten habe er abgesagt, erzählt der 69-Jährige augenzwinkernd. Die Bitte von Josef Miller wollte er dagegen nicht abschlagen, denn: "Du warst stets einer meiner zuverlässigsten Kameraden. Deswegen hast Du immer einen gut bei mir", wendet sich Waigel dem ehemaligen bayerischen Landwirtschaftsminister zu, der in der ersten Reihe sitzt.

Kein Blatt vor dem Mund

Doch dann ist erstmal Schluss mit lustig, und das langjährige Mitglied des Kabinetts von Kanzler Helmut Kohl fordert Vertrauen ein. Denn das sei in den vergangenen Monaten auf mehreren Ebenen verloren gegangen. Bei den Banken etwa. Aber auch bei den Wählern in ihrem Verhältnis zur CSU. Wie so oft an diesem Abend nimmt der promovierte Jurist auch jetzt kein Blatt vor den Mund: Die massiven Verluste der Union bei der Landtagswahl seien kein Zufall gewesen, "die hat uns nicht einfach der Wind hergeweht".

Der frühere Vorsitzende empfiehlt seiner Partei, auch mal zuzugeben, "dass wir nicht immer alles optimal gemacht haben". Das kommt an bei der Basis im Saal. Sie spendet Waigel spontan Beifall. Schallendes Gelächter erntet er, als er spitzzüngige Seitenhiebe austeilt. Dabei bekommen beileibe nicht nur Oskar Lafontaine und Gregor Gysi ihr Fett ab.

Sondern beispielsweise auch die aktuelle Staatsregierung: "Zum 30. Dezember sind 395 Millionen Euro der Siemens-Bußgelder in die Staatskasse geflossen. Aber der Finanzminister hat das noch gar niemandem gesagt. Der wird doch nicht etwa alles für die Landesbank brauchen?", fragt Theo Waigel rhetorisch in die Runde.

Obwohl er die "Riesenprobleme, vor denen wir stehen" nicht verhehlt, will er erst gar nicht in Schwarzmalerei verfallen, sondern verbreitet Zuversicht: "Es besteht durchaus die Chance, dass wir nach der aktuellen Rezessionsphase in der zweiten Hälfte des Jahres wieder Wachstum bekommen."

Der von Josef Miller zu Beginn als "weltweit anerkannter Mann" vorgestellte Waigel holt nun weit aus, erzählt humorvolle Anekdoten, lässt die Zuhörer an seinem breiten Erfahrungsschatz teilhaben, berichtet von seinen Treffen mit dem ehemaligen US-Notenbankchef Alan Greenspan und dem früheren israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin.

Die aktuelle Entwicklung im Nahen Osten bereite ihm große Sorge, gesteht Waigel. Das gelte auch für internationale Krisenherde wie Afghanistan. Trotz alledem: "Wir dürfen niemals aufgeben, den Frieden zu suchen", betont er am Ende seiner Ausführungen.

"Du hast Mut gemacht und Hoffnung verbreitet. Wohl niemand hat heute Abend bereut, gekommen zu sein", bescheinigt ihm schließlich sein Parteifreund Josef Miller.