Kempten (mun). - Ingo Buchelt (66) aus Nesselwang ist seit neun Jahren Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins (DAV). Bei der Hauptversammlung am kommenden Sonntag in Berchtesgaden wird Buchelt nicht erneut kandidieren. Der in Oberschlesien geborene und im Sauerland aufgewachsene Bergfex war als Jura-Student nach Bayern gekommen. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Richter in Kempten, zuletzt als Vorsitzender einer Zivilkammer. In den verschiedenen Gremien des DAV, mit rund 670 000 Mitgliedern der weltgrößte Bergsteigerverband, hatte Buchelt über einen Zeitraum von über 25 Jahren viele Ehrenämter inne. Wir sprachen mit ihm über das Bergsteigen und den Alpenverein. Warum hören Sie als Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins auf?Buchelt: Ich glaube, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, aufzuhören. Ich möchte, dass jetzt Jüngere drankommen. Was ist der Alpenverein in Ihren Augen in erster Linie - Naturschutzverein, Sportverein oder einfach ein Service-Anbieter, sozusagen der ADAC für Bergsteiger?Buchelt: Der Alpenverein lebt von seiner Pluralität. Alle können sich in ihm zu Hause fühlen. Der extreme Bergsteiger genauso wie der Sportkletterer und Wanderer oder einfach nur der Naturfreund oder der kulturell Interessierte. Der Verein ist für die Jugend genauso da wie für Familien und Senioren. Auch diejenigen, die nur den Service wollen wie Versicherungsschutz oder Mitgliedsermäßigungen auf Hütten, sind willkommen. Dringend angewiesen ist der Verein aber natürlich in allererster Linie auf die Arbeit der Ehrenamtlichen. Deren Engagement kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In Ihrer Amtszeit hat sich der Alpenverein zunehmend dem Spitzensport geöffnet. Halten Sie diese Entwicklung für richtig?Buchelt: Ganz klar: Ja. Wie bei anderen Sportarten haben Spitzensportler eine Vorbildfunktion und üben eine gewisse Sogwirkung aus. Es gibt eine gewisse Abhängigkeit von Breiten- und Spitzensport.
Der Alpenverein steht für beides. Eben auch für das Sportklettern, das Skibergsteigen als Wettkampf und das Leistungs-Expeditionswesen. Eng verbunden ist Ihr Name mit den Aktivitäten des Alpenvereins zur Aufarbeitung seiner eigenen NS-Vergangenheit. Wie kamen Sie zu diesem Engagement?Buchelt: Ich habe mich immer schon für das interessiert, was in der Nazi-Zeit passiert ist. Es gab eine Publikation von Helmuth Zebhauser über den Alpinismus im Hitlerstaat. Wir bemerkten, dass es bis dahin keine offizielle Distanzierung des Vereins von den Vorgängen um die so genannte Affäre Donauland gegeben hatte. Dabei ging es um den Ausschluss einer jüdischen Sektion bereits Mitte der zwanziger Jahre. Diese Phase haben wir gemeinsam aufgearbeitet und es kam dann zu einer offiziellen Erklärung, in der die damaligen Vorgänge bedauert wurden. Auch wurde in München ein Mahnmal enthüllt. Ist der Alpenverein anfällig für rechtes Gedankengut?Buchelt: Der Alpenverein von heute hat ein ganz anderes Profil als der in den 20er Jahren. Er ist heute ein weltoffener und toleranter Verein in dem die Verantwortung für den Bergfreund genauso wie die für Umwelt und Natur eine sehr wichtige Rolle spielt. Sie sind immer noch viel im Gebirge unterwegs. Was bedeutet für Sie eigentlich Bergsteigen?Buchelt: Bergsteigen ist für mich mehr als nur Abenteuer, mehr als nur sportliche Betätigung und Naturgenuss. Bergsteigen ist die ideale Form, Körper und Geist in den Einklang mit der Natur zu bringen. Das ist schwer zu definieren. Ich kann nur jedem raten: Man muss es einfach tun. Jetzt haben Sie ja bald noch mehr Zeit für Bergtouren. Welche alpinen Träume wollen Sie sich noch verwirklichen?Buchelt: Ich möchte weiter verstärkt Skitouren machen, vor allem auch mit meinem Senioren-Stammtisch bei der Sektion Kempten. Auch mehrtägige Ski-Durchquerungen. Klettersteige reizen mich noch, und auch der ein oder andere Viertausender, Mountainbiken sowieso. Und natürlich will ich verstärkt reisen.