Holzstofffabrik aus dem 19. Jahrhundert im Weißachtal unter Denkmalschutz gestellt Von Barbara Hell Oberstaufen-Weißach Wenn Claudia Kirgis-Handschke die Tür zu ihrem Kleinod öffnet, stockt dem Besucher erstmal der Atem: Spinnweben überall, der Boden übersät mit riesigen Säcken voll Styropor, in der Decke klafft ein meterlanges Loch. Doch dann fällt die Sonne auf die quadratische Holztäfelung an den Wänden und man sieht den Raum mit den Augen seiner Besitzerin und denen des Landesamts für Denkmalpflege: ein Kleinod inmitten einer Industrieanlage, wies im südlichen Oberallgäu keine zweite mehr gibt. 1858 haben die Gebrüder Häusler die Holzschleife erbaut, 1874 wurde sie von der Kronenwirtswitwe Dorn und ihrem Sohn Peter gekauft und Zug um Zug erweitert. Das Ensemble in Weißach im Tal steht heute noch genauso da wie vor fast 100 Jahren, als 1908 als letzter Bestandteil der Fabrikanlage das Arbeiterhaus errichtet wurde eine Kostbarkeit von großer Seltenheit, urteilt Dr. Denis Chevalley,Oberkonservator des Landesamts für Denk-malpflege. Für Claudia Kirgis-Handschke bestand denn auch überhaupt kein Zweifel, wohin ihr erster Schritt führen würde, als sie nach dem Tod ihrer Tante Hildegard Dorn im Mai letzten Jahres die Anwesen auf dem 36000 Quadratmeter großen Areal erbte: Die Holzstofffabrik muss unter Denkmalschutz gestellt werden, war ihre Priorität ein Ziel, das sie ohne Schwierigkeiten erreichte. Denn dass Industriebauten aus der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts in ihrer ursprünglichen Form noch heute stehen und nie modernisiert wurden, ist weit und breit die absolute Ausnahme, weiß Oberkonservator Dr. Denis Chevalley. Holzgetäfelt ist nicht nur die Schreinerei, in der Josef Dorn, Sohn von Peter, die Holzstofffabrik zur Blüte brachte. Holzschindeln, Balustraden, Zierornamente bestimmen auch das äußere Erscheinungsbild der beiden Gebäude, die zusammen mit dem nüchternen Fabrikbau das Ensemble ausmachen: Wohnhaus mit Stallung und Arbeiterhaus leben von dem Stoff, den die Fabrikanten-Familie und ihre Beschäftigten auch verarbeiteten, dem Holz. Gut 15 Schreiner waren hier einst beschäftigt. Wie viele Arbeiter mit der Umwandlung von Holzstämmen in Holzstoff (ein tapetenähnliches Material, das dann von der ehemaligen Papierfabrik in Hegge zu Papier verarbeitet wurde) beschäftigt waren, weiß die 48-jährige Erbin nicht. Eine stattliche Anzahl kräftiger Männer war aber sicher vonnöten, um die gigantischen Mahlsteine, den monströsen Großkraftschleifer, die Turbine und die unterirdische Kanalisation, Sägewerk und Dampfkessel in Betrieb zu setzen. 1964 starb Josef Dorn, seine Frau Hildegard und die beiden unverheirateten Töchter Marianne und Hildegard führten die Fabrik bis 1971 weiter, bis 1985 produzierte die Lebensgemeinschaft noch ihren eigenen Strom. Claudia Kirgis-Handschke sieht ihr Erbe als Verpflichtung: Die Tante wusste, wenn einer so alte Sachen ernst nimmt, dann ich.