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Kirche und Fabrik im allierten Bombenhagel

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Kirche und Fabrik im allierten Bombenhagel

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    Von Ralf Lienert, Kempten-Kottern. - Der Zweite Weltkrieg liegt fast sechs Jahrzehnte hinter uns und doch sind die Jahre 1944/45 noch tief in das Gedächtnis vieler Menschen eingegraben. Vor 60 Jahren erlebte Kempten beim 84. Fliegeralarm seit Kriegsbeginn die volle Wucht des Luftkrieges. Am 19. Juli 1944 erschien gegen 9.45 Uhr ein Bomberverband und legte seinen 'Teppich' über die Spinnerei- und Weberei Kottern. 29 Menschen, darunter ein Kind und drei Schüler, fanden den Tod. Maria Bäuml aus Sankt Mang erinnert sich: 'Um 9 Uhr war Fliegeralarm und schon kamen die Tiefflieger. Wir alle sind an die Iller runter und haben auf die Flieger geschaut.' Dann fielen die ersten Bomben. 'Mich hat der Luftdruck bis ans Wasser runter gedrückt', notierte die Kotternerin. Mit Grausen erinnert sie sich an die Folgen: 'An der Fabrik war ein Haus, da hat eine Frau beim Dachfenster rausgeschaut. Ihr hat es den Kopf weggerissen.' Rund 200 Sprengbomben fielen an diesem sonnigen Mittwoch allein auf das Fabrikgelände und zerstörten die obere Fabrikhalle vollständig und den an der Iller liegenden Hochbau zum allergrößten Teil. Das Kesselhaus hatte einen Volltreffer aus drei Bomben. Die Westseite des 68 Meter hohen Schornsteins war auf einer Länge von sieben Metern und einer Breite von drei Metern von einer Bombe aufgerissen und drohte einzustürzen. Der Angriff galt aber nicht der Produktion von Leinen, die längst reduziert war. Seit 1943 fertigten die Messerschmitt-Flugzeugwerke in Kottern kriegswichtige Teile. Als Arbeiter standen KZ-Häftlinge aus dem nahen Außenlager Weidach an den Maschinen. Die Bekämpfung der riesigen Feuersbrunst war außerordentlich erschwert, da sämtliche Zufahrtstraßen zum Werk durch viele Bombentrichter unbefahrbar waren. Als wahres Wunder bezeichnete Prokurist Josef Glatthaar, dass die werkseigene Illerbrücke unbeschädigt blieb. Die herbeigeeilten Feuerwehren mussten Schlauchleitungen von mehreren 100 Metern Länge legen. Der Rüstungsbetrieb erlitt nur geringe Schäden und wurde am nächsten Tag ins Oberallgäu verlagert. Die Bomben zerstörten 90 Prozent des Betriebes. 1664 Webstühle und Spinnmaschinen wurden unter Trümmern begraben.

    Kottern: Drei Häuser zerstört Die alliierten Bomben zerstörten auch drei Kotterner Wohnhäuser mit 27 Wohnungen, zwei Siedlungshäuser in Oberkottern. Viele Häuser im Stadtteil hatten keine einzige ganze Fensterscheibe mehr und die Dächer waren abgedeckt. In der Stadt prasselten Sprengbomben und Phosphorkanister auf den Güterbahnhof, ins Haubenschloßviertel und die St. Mangkirche. Flammen schlugen aus dem mittleren Vorbau der Kirche und nur dem beherzten Eingreifen der Altstadtbevölkerung ist es zu verdankten, dass die Kirche nicht nieder brannte. Einer der US-Alliierten Bomber war im Luftkampf getroffen und warf seine Bombenlast in der Nähe von Wildpoldsried ab. Einige trafen ein Bauernhaus, das völlig abbrannte und töten die Bauerstochter, der Rest landete im freien Feld. Das Flugzeug stürzte bei Meggenried brennend ab. Die vierköpfige farbige Besatzung wurde tot geborgen und zunächst auf dem Friedhof von Wildpoldsried bestattet. Für die ersten Luftkriegstoten in Kempten fand eine Trauerfeier im Kornhaus statt. Während des Zweiten Weltkrieges gab es in Kempten 627 Fliegeralarme. Bei 16 Luftangriffen wurden rund 400 Tonnen Sprengbomben und 12000 Brandbomben abgeworfen. 146 Menschen starben, 79 erlitten schwere und mehrere hundert leichte Verletzungen.

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