Von sabrina Müller |Weiler/WestallgäuEine junge Frau verlässt ihren Ehemann und drei Kinder. Was sie hinterlässt sind Schulden, die durch Pfändungen die Existenz der kleinen Westallgäuer Familie bedrohen. Das ist eines von 91 Einzelschicksalen, dessen sich der Verein "Kinderbrücke Allgäu" von November 2007 bis zum Oktober dieses Jahres angenommen hatte. Ein finanzieller Zuschuss sollte gewährleisten, dass zumindest die Kinder nicht zu sehr unter den Folgen leiden müssen.
Anderes Beispiel: Ein Vater mit kleiner Rente, eine Mutter, die Arbeitslosengeld bekommt und ein Sohn, der auf der Schulabschlussfahrt nicht als Einziger zu Hause bleiben möchte. Auch hier ist die gemeinnützige Organisation eingesprungen und hat die Kosten für die Westallgäuer Familie übernommen. Insgesamt 155000 Euro hat die Kinderbrücke im vergangenen Jahr in die Unterstützung Notleidender im gesamten Allgäu gesteckt. Gespendet wird das Geld von Unternehmen, Institutionen, Vereinen und Einzelpersonen.
Seit sieben Jahren kümmert sich die Kinderbrücke um Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind - sei es durch Unfälle, Krankheit oder Überforderung. Mit Bedacht prüft Vorsitzender Ludwig Rapp aus Weiler jeden einzelnen Antrag, fährt manchmal hin, um sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen.
Etwa einen halben Tag Zeit steckt er täglich in die Vereinsarbeit. In letzter Instanz entscheidet dann das achtköpfige Mitgliedskomitee, das sich etwa alle sechs Wochen trifft und beratschlagt. Bei dringenden Anliegen, so Rapp, können er und seine Stellvertreterin eine Entscheidung treffen, beziehungsweise die Meinungen der anderen per Mail einholen. Flexibilität - das unterscheide die Kinderbrücke von anderen sozialen Einrichtungen, die häufig in Trägerschaften von Kirchen oder Verbänden liegen. "Wir können schnell handeln, haben keine bürokratischen Hürden zu überwinden - wir können machen, was wir wollen", sagt Rapp.
Ob ein Antrag angenommen oder abgelehnt wird, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: der sozialen Bedürftigkeit, davon, ob es überwiegend Kindern zugute kommt und vom lokalen Bezug, das heißt, der Fall muss im Allgäu passieren. Oft kommen Anträge von Organisationen wie Kinderschutzbund oder Pro Familia zur Kinderbrücke. Rapp weiß, dass der finanzielle Aspekt in einer Notlage häufig weniger als die Hälfte ausmache. "Wir können den Bereich der Sozialtherapie nicht abdecken - da müssen Fachleute ran", erklärt der Vorsitzende die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen.

Würdigung für soziales Engagement
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Ludwig Rapp und seine Gremiumskollegen sind oder waren allesamt Unternehmer. "Wenn man selber die Möglichkeiten hat, was zu tun, dann ist man in der sozialen Verantwortung für die Region", begründet Rapp seinen Einsatz. Hinzu kommt für ihn die "Zukunftskomponente": Er verweist auf die Prognose, dass im Jahr 2020 sechs bis sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen würden. "Da müssen wir um jedes Kind kämpfen. Wenn der Nachwuchs ausblutet, dann verspielen wir unsere Zukunft", sagt Rapp. Ihm sei es nicht egal, wo die Kinder bleiben - denn "das kanns nicht sein".
Hilfe annehmen - das ist für viele ein schwerer Schritt, wie Rapp aus Erfahrung weiß. Deshalb spielt Diskretion für den 69-Jährigen eine große Rolle. Unterstützung werde nur angenommen, wenn die Leute Gewissheit haben, dass alles anonym ist und ihre Würde gewahrt bleibt. An diese Grundsätze hält sich der Verein.