Artikel: Kemptens schönste Beine

12. Januar 2003 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

gab's beim ersten Faschingsball der Rottach-Gilde zu bestaunen - Viel Spaß, wenig Besucher

Von Christine Rothauscher, Kempten Sie war zum Tanzen gekommen und sie tanzte, bis sie beim letzten Walzer einschlief: Ballettmädchen Sara, gerademal sechs Jahre alt und jüngste unter dem tanzfreudigen Publikum, das sich am Samstagabend zum Narrenball im Kornhaus traf. Dazwischen wechselten sich Sketche, Büttenreden und eine 'Combo aus Cambodunum' auf der Bühne ab. Eine Spezies allerdings hätte zahlreicher vertreten sein dürfen: die Kemptener Faschingsfans. Deshalb erinnerte der Saisonstart der Faschingsgilde Rottach nur selten an ein regelrechtes Ballereignis. Kaum hatte sich der Elferrat samt Prinzenpaar Birgit und Manfred auf der Bühne niedergelassen, zeigte sich, dass die Prinzengarde keine Nachwuchssorgen hat. Zum Radetzkymarsch ließen über 20 Gardemädchen im weißblauen Glitzerkostüm ihre Beine fliegen. Und nicht nur in Reih und Glied wurde 'gejuckt': die Zuschauer füllten gleich beim ersten Walzer die Tanzfläche, um wenig später von Sophia Mayr neuesten Kemptener Hausfrauentratsch zu erfahren: 'So mancher fragt sich wohl, was des Gstell vorm Kornhaus werden soll? Ich hab mir denkt, ja ei der daus, des lueget wie a Galge aus.' Auch die 'steinige' Gestaltung vor dem Ponickauhaus griff die Büttenrednerin auf.

Sie schlug vor, die alte 'Pferdekoppel' wieder herzustellen, 'damit es der Amtsschimmel nicht mehr so weit zum Rathaus hätte.' Nicht schlecht staunten die Besucher, als gleich eine ganze Garde 'Roter Teufel' in Form der Kemptener SPD einen Tisch besetzte. Auch dass die Kemptener Elferräte flexibler als ihre rheinländischen Kollegen sind, blieb dem Publikum nicht verborgen. So bewährte sich Vorsitzender Horst Bräuninger als redegewandter Moderator, einige Kollegen als unermüdliche Tänzer und ein paar Elferrätinnen als Maskenbildnerinnen und 'Chormädchen' beim Gilde-Song 'Wenn in Thingers die rote Sonne am Berg versinkt'. Begeisterten Beifall erhielt Tanzmariechen Julia Heider für ihr fetzig getanztes Solo. Und Manfred Lipp und Richard Brunner ('Combo aus Cambodunum') zeigten amüsante Ähnlichkeiten zwischen Las Vegas und Kempten auf. Das Beste freilich kam zum Schluss: das Kemptener Männerballett legte mit seinen 'schönsten Beinen der Stadt' ein mit Beifallsstürmen quittiertes Ballett aufs Parkett. 'Es wär alles so schee, wenn bloß mehr Leit da wär'n' seufzte kurz vor Mitternacht ein 'Clown'. Dabei wanderten seine Augen nicht nur durch den halbvollen Kornhaus-Saal. In Gedanken schaute er auch auf die drei Stadtoberhäupter, die beim Faschingsball allesamt durch Abwesenheit glänzten.