Oberallgäu: Keine Lust auf einen Flug in die Wärme

13. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
rupert mayr

Kälte - Zwei Abgehärtete sinnieren über Minusgrade

In diesen Tagen sind Vokabeln wie "klirrenden Kälte" und "Eisschranktemperaturen" in aller Munde. Wie empfinden das nun Menschen, die - wie Erwin Rusch - im Wengener Tal leben und, wie der Heimatforscher selber sagt, "klimatisch etwas benachteiligt" sind? Oder auch Leute wie der ehemalige Weitnauer Bürgermeister Peter Freytag, dessen Haus auf dem "Vordach des Allgäus" steht - genauer gesagt in Rechtis auf 967 Meter Höhe?

Um es vorwegzusagen: Die Freytags hören zwar öfters den kalten Ostwind um den Wintergarten pfeifen, aber der Ex-Rathauschef würde seine "Höhenlage mit dem Allgäu-Panoramablick" mit nichts auf der Welt tauschen. Und für Rusch sind frostige Wochen so normal wie gelegentlicher Sommerschnee. Seine "Lust auf einen Mallorca-Flug im Winter hält sich demnach stark in Grenzen."

Zum Jammern gibt es für die beiden 1941 Geborenen ohnehin weit und breit keinen Grund: Noch nie seien Menschen so gut kältegeschützt und ungeachtet der Witterung so mobil gewesen wie heute, so die "Unruheständler".

Wohlig warm ist es in der Stube von Erwin Rusch. Dabei kommt die Wärme gar nicht von dem urigen Kachelofen, der in Verbindung mit dem Küchenherd früher - wie in Bauernhöfen üblich - die einzige Wärmequelle im Wohnteil war. Nein, vor zehn Jahren hat sich der Altbauer eine Zentralheizung einrichten lassen. Natürlich wird das Wasser durch einen Holzscheitofen erhitzt - denn im waldreichen Wengener Tal mit vielen Waldbesitzern, so Rusch, sei natürlich das Holz immer noch Brennstoff Nummer eins.

Unfreiwilligerweise bietet sich dem 68-Jährigen seit Langem üppig Brennholz an: Viele schon halb ver- dorrte Ulmen müssen gefällt werden, die durch den Ulmensplintkäfer übertragene Pilzkrankheit hat "ganze Arbeit" geleistet. Der Altbauer ist es jedoch gewöhnt, weit über Tag und Jahr hinaus zu denken.

Krankheiten an Pflanzen und Tieren habe es immer schon gegeben, auch Ausschläge in der Witterung - beispielsweise habe 1789 ein Hochwasser den halben Wengener Friedhof weggerissen.

Tatsachen zählen

Da kann Rusch nur den Kopf schütteln ob der "Hysterie" in Sachen Waldsterben, BSE oder Vogel- grippe. "Und, was war nun wirklich?", fragt der Altbauer "Nichts oder nur wenig" sei von all den Negativ-Prognosen übrig geblieben. Für den Wengener zählen die Tatsachen. Beispielsweise die "sehr gute Dorfgemeinschaft". So würden auch die Leute aus dem "Eisbärenviertel" (Bürger, die am Skiliftberg wohnen und Dezember/Januar wenig Sonne sehen) gerne in Wengen bleiben. Rusch muss es ja wissen, war er doch über Jahrzehnte Bauernverbands-Obmann, Kirchenchorleiter, Dirigent der Musikkapelle und vieles mehr.

Peter Freytag spekuliert über die Vorteile von strengen Frosttagen. Vielleicht könne man dadurch einen Teil der Plagegeister wie Schnecken, Stechmücken und Wühlmäuse loskriegen. Für die Wärme im eigenen Haus sorgen Solarzellen und eine Holzheizung, nur bei Sonderbedarf werde zusätzlich noch der alte Ölbrenner angeworfen.

Ansonsten mag es der einstige Rathauschef, wenn eine Jahreszeit das biete, was man von ihr erwarten könne. Also durchaus "knackige Kälte" im Winter. "Denn die erhält uns wenigstens den spärlichen Schnee." Sowohl Peter Freytag als auch Erwin Rusch können sich nämlich noch gut an die Winter ihrer Jugend erinnern, als Schüler häufig "bis zum Bauch rauf" durch den Schnee waten mussten.