In der Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen gärt es weiter: Bei der Jahresversammlung am 10. Juni versagten die Mitglieder dem Vorstand Arnold Jaser aus Lamerdingen die satzungsmäßige Entlastung. Mit Peter Hölzle stand sogar ein Gegenkandidat bei der turnusmäßigen Vorstandswahl zur Verfügung. In der Abstimmung unterlag er Jaser jedoch knapp.
"Das Genossenschaftsprinzip in seiner althergebrachten Form ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Noch-Mitglied Otto Kugelmann, "es ist zu unflexibel, um auf die sich schnell ändernden Entwicklungen des Marktes reagieren zu können. Deshalb steige ich auf jeden Fall aus." Sechs von insgesamt 67 Mitgliedern haben mittlerweile ebenfalls gekündigt, bestätigt Arnold Jaser.
Eitel Sonnenschein vor drei Jahren
Rückblende: Im Mai 2007 feiert die Genossenschaft ihr 100-jähriges Bestehen. Eitel Sonnenschein lässt den Standort glänzen, wo an vier Tagen in der Woche jeweils 100000 bis 120000 Kilo Milch verarbeitet werden. 115 Milchbauern gehören der Genossenschaft damals an.
"Die Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen hat gezeigt, wie man auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten überleben kann, mit ihrer Politik der Sparsamkeit und mit ehrenamtlichen Führungskräften war sie von Anfang an auf dem richtigen Weg", sagte der damalige stellvertretende Landrat Georg Fickle. Genossenschafts-Vorstandsvorsitzender Arnold Jaser hatte voll Zuversicht entgegnete: "Wir werden das Erbe der Vorfahren im Sinne unserer Mitglieder bewahren und fortführen."
Statt rosiger Zukunft warteten schwere Zeiten auf die Molkerei
Nicht einmal zwei Jahre später waren die schönen Worte nur mehr Makulatur, die Produktion in der Molkerei war zum Erliegen gekommen. Von einigen Mitgliedern wurde bezweifelt, was die Laudatoren auf der Jubiläumsparty der ehrenamtlichen Führung bescheinigt hatten, "immer auf dem richtigen Weg" zu sein. 1,6 Millionen Euro waren seither an Investitionen in die Produktionsanlagen geflossen, um die neuen EU-Hygienevorschriften zu erfüllen und zur Rationalisierung der Herstellungsabläufe. Beides habe weder eine Effizienz- noch Ertragssteigerung gebracht, argumentieren die Kritiker in den eigenen Reihen heute. Also eine damals falsche Einschätzung der Marktentwicklung? Arnold Jaser bestreitet das.
Hauptursache sei der weggebrochene Preis für Schnittkäse um mehr als 50 Prozent auf nur 1,80 Euro pro Einheit gewesen - genau das aber sei die Spezialität und eine der Haupteinnahmequellen in Wiedergeltingen gewesen. "Mit diesem bis dahin beispiellosen Preisverfall konnte niemand rechnen", so Jaser. Hinzu sei der sinkende Milchpreis gekommen. In dieser Lage beschlossen die Genossenschaftsmitglieder die Aufgabe des Molkereibetriebs.
Aus der Molkereigenossenschaft wurde de facto eine Milcherzeugergemeinschaft. Diese musste nun nach neuen Vertriebswegen suchen und entschied sich Ende 2009 für den scheinbar einzig interessierten Partner, die Allgäuland Käsereien mit Hauptsitz im baden-württembergischen Wangen. Die Wiedergeltinger wurden als Teil des genossenschaftlich organisierten Gesellschafters am Standort in Bad Wörishofen eingegliedert.
Weiteres Angebot nicht vorgestellt
Auch diese Entscheidung fand nicht die einhellige Zustimmung der Mitglieder, nachdem durchgesickert war, dass dem Vorstand von den Karwendel-Werken in Buchloe ein Alternativangebot unterbreitet worden war. "Das habe ich in der Generalversammlung gar nicht erwähnt", sagt dazu Arnold Jaser, "weil es unvollständig war".
Unstrittig ist, dass nur Allgäuland bereit war, die Wiedergeltinger Produktionseinrichtung zum Buchwert zu übernehmen. Jaser setzt auf die vom Allgäuland-Management eingeleitete Restrukturierung mit einer an die Nachfrage angepassten Produktpalette und begleitenden Werbemaßnahmen. Sie war Gegenstand der außerordentlichen Versammlung im November 2009, erfüllte allerdings nicht die erwarteten Zusagen eines Teils der Mitglieder.
Sie werfen Jaser und den übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern eigenmächtiges Vorgehen und mangelnde Transparenz bei der Darstellung der Sachlage vor.