Hospizverein Der ehemalige Chefarzt Professor Ludwig Schmid spricht beim Hospizverein darüber, wie würdevolles Sterben möglich werden kann">

Artikel: "Kein Recht, alle Hoffnung zu zerstören"

30. Oktober 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Hospizverein Der ehemalige Chefarzt Professor Ludwig Schmid spricht beim Hospizverein darüber, wie würdevolles Sterben möglich werden kann

von Ann-Kathrin Wintergerst |Oberstaufen/OberallgäuSterben ist ein Teil des Lebens. Dennoch sind zahlreiche Ängste und Ungewissheiten mit diesem letzten Abschnitt im Leben eines Menschen verbunden. Wie ist es trotz schwerer Krankheit möglich, die menschliche Würde eines Patienten zu wahren? Unter dem Titel "In Würde leben - in Würde sterben" sprach Prof. Dr. Dr. Ludwig Schmid darüber, was die Würde eines Menschen auch im Sterben ausmacht. Der Vortrag des ehemaligen Chefarztes der Schlossbergklinik Oberstaufen füllte den Saal im katholischen Pfarrzentrum Oberstaufen.

Dank neuer Erkenntnisse müsse heute niemand mehr verhungern, weil er nicht mehr schlucken könne, und auch ein künstlicher Ausgang oder Inkontinenz könnten so versorgt werden, dass der Betroffene kaum darunter zu leiden habe. Dass diese Versorgungssysteme funktionieren, sei also die Grundvoraussetzung, um die Würde des Patienten zu erhalten, erklärt Schmid. Nicht anders verhalte es sich mit der Schmerzlinderung.

"Wir haben kein Recht, alle Hoffnung zu zerstören!", appellierte der Mediziner. Dazu gehöre es, verletzende, wenn auch gut gemeinte Phrasen wie "Sie hatten doch ein langes Leben" zu vermeiden. "Nie darf ein Arzt Zeitangaben über verbleibende Lebensspannen machen", unterstrich Schmid: "Das kommt der Festlegung eines Hinrichtungstermins gleich.

" Die Hoffnung spiele auch bei der Therapieentscheidung eine Rolle: Die Meinung des Gesunden zähle hier nicht. Laut einer Studie war jeder zweite einer untersuchten Patientengruppe dazu bereit, für eine Symptomlinderung um ein Prozent eine aggressive Chemotherapie auf sich zu nehmen. Gesunde Angehörige würden solche Entscheidungen oft nicht verstehen.

Auch der Kampf gegen die Einsamkeit trage dazu bei, das Sterben würdevoll zu gestalten. Die drei wichtigsten Punkte laut Schmid sind "Zuhören, informieren und zuwenden". Außerdem könne Mal-, Musik- oder Beschäftigungstherapie dazu beitragen, den Patienten aus seiner Einsamkeit zu holen. Selbst bei nicht mehr ansprechbaren Patienten können mit Musik positive Effekte erzielt werden, so Schmid: Unruhe und Schmerzen würden sichtlich gemildert.

Eine klare Trennlinie zieht Schmid zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. Passive Sterbehilfe bedeute sterben lassen, nicht aufgeben. Maßstab sei dabei immer der Wille des Patienten - im Falle eines bewusstlosen Patienten sein mutmaßlicher Wille. Aktive Sterbehilfe dagegen sei nicht die Erlösung des Patienten, sondern "die Erlösung der Angehörigen von ihm". Bei der Frage nach einem lebenswerten Leben müsse man immer beachten, aus welcher Sicht man diese beantworte.

Der letzte Aspekt eines würdevollen Sterbens sei die Begleitung in liebevoller Zuwendung.