Kaufbeuren/Neugablonz (agi). - Ein gelber Zettel im Hausflur kündigt sie jedes Jahr wieder aufs Neue an: Heizungsableserin Birgit Rössler-Baindner. Sie hat die Lizenz, die Plomben an den Anzeigevorrichtungen zu lösen und die Verbrauchsröhrchen auszuwechseln. Auf ihrer Tour durch die Neugablonzer Haushalte erlebt sie mittlerweile seit elf Jahren allerlei. 'Bei Manchen gehöre ich schon fast zur Familie', weiß sie über langjährige Kunden zu berichten. Als lokale Ablesefirma für das Münchener Unternehmen Brunata betreut die Firma Wilhelm Burtscher mit sieben Ablesern 850 Anwesen im Gebiet Kaufbeuren und Umgebung. Eine von ihnen: Birgit Rössler-Baindner. Startschuss für die stressige Winter-Saison ist für die Neugablonzerin der 25. November. 'Bis 20. Januar geht dann meine Hauptsaison', so Rössler-Baindner. Weihnachtsstimmung kommt für sie garantiert nicht auf. Denn ihr Terminkalender ist voll gespickt. '60 Geräte in der Stunde ist meine Ablese-Vorgabe', erklärt sie. Wasseruhren ebenso wie Heizkostenverteiler. Bei den üblichen, modernen Standardanzeigern heißt das: Plombe lösen, punktgenaues Ablesen des Verbrauchsstands, Austausch der Flüssigkeitsröhrchen, der so genannten Kapillare, und Versiegelung mit neuer Plombe. Die rechte Kapillare zeigt dem Betrachter den Vorjahresverbrauch an, das linke den aktuellen Verbrauch. Die abgelesenen Daten wandern seit vergangenem Jahr umgehend in den tragbaren Mini-PC. Der kennt alle Daten pro Verbraucher und weiß sogar, wieviel Heizkörper sich in welchem Zimmer der Wohnung befinden. Falsche Werte schließt er aus. Der Verbrauchszahl steht eine feststehende Prüfzahl gegenüber. Nur wenn beide korrekt abgelesen sind, ist auch der PC zufrieden. 'Unplausible Werte' im Vergleich zum Vorjahreswert moniert der elektronische Helfer und erwartet einen Erklärungstext. 'Das kommt vor, wenn etwa eine vielbenutzte Waschmaschine weggefallen ist', so die Expertin. Details, die sie besonders misstrauischen Kunden genauestens erklärt. 'Mit denen lese ich gemeinsam ab, damit sie sehen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.'Das Gros vertraut der Ableserin jedoch blind. 'Die kennen mich ja auch schon seit Jahren', fügt sie an. Wenn sie einen Straßenzug durch hat, klingelt sie noch einmal bei den 'unerledigten' Wohnungen. Schließlich sind unter ihren Kunden auch Berufstätige, die sich eigens für die Ablesung frei nehmen, es dennoch nicht pünktlich schaffen. Dafür hat die geduldige Ableserin Verständnis. Immerhin steckt auch ihr ständig der Zeitdruck im Nacken. Für persönliche Worte bleibt wenig Zeit, wie sie bedauert. Auch die oft angebotene Tasse Kaffee muss sie aus Zeitnot ablehnen. Trotzdem hat sie zu vielen Kunden einen herzlichen Kontakt. In den elf Jahren, in denen sie in Neugablonz die Uhren abliest, hat sie so manche Familienentwicklung mitgemacht, vom Todesfall bis zur Geburt. 'Die Kinder, die ich als Säugling kennengelernt habe, machen mir heute schon die Türe auf', erzählt sie mit einem Schmunzeln.
Büroarbeit folgt zu Hause Im eigenen Heim wartet die Büroarbeit auf die 44-Jährige: Tourenplanung, Aushänge vorbereiten und zweite Sammeltermine für nicht anwesenden Kunden vereinbaren. 'Wer beim Haupttermin nicht da ist oder den Schlüssel beim Nachbarn hinterlegt hat, bekommt den angeboten. Kann er ihn auch nicht wahrnehmen, muss ein Einzeltermin gemacht werden', erklärt Rössler-Baindner das Procedere. Dieser Sondertermin kostet 9,50 Euro. Wer alle Termine verstreichen lässt, dessen Verbrauch wird geschätzt am Vorjahresverbrauch. Statt zum Jahreswechsel haben manche Haushalte die Sommerablesung im September. Zwischenablesungen werden bei einem Mieterwechsel fällig. Wie die meisten Kollegen übt Birgit Rössler-Baindner die Ablesung als Zweitberuf aus. 'Dafür nehme ich mir eigens Urlaub vom Hauptberuf', verrät sie. Beim Termindruck kommt eines alle Jahre wieder zu kurz bei der zweifachen Mutter: die Weihnachtszeit. 'Ich habe noch kein einziges Geschenk', gibt sie kurz vor dem Fest zu. Einen Termin für ihren Geschenke-Marathon hat sie jedoch schon.