Einmal mehr musste sich jetzt das Kaufbeurer Amtsgericht in einem Strafverfahren mit dem bizarren Rechtsverständnis der sogenannten 'Reichsbürger'-Bewegung befassen. Deren Anhänger haben unterschiedliche Motivlagen, die von Verschwörungstheorien über esoterische Sinnsuche bis zum Rechtsextremismus reichen.
Eines haben die teilweise auch untereinander zerstrittenen Gruppierungen zumeist gemeinsam: Sie erkennen den Staat nicht an und behaupten etwa, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 weiterbesteht. Für sie ist die Bundesrepublik eine Firma, in der nicht die Gesetze gelten, sondern das Handelsrecht.
Damit begründete jetzt auch im aktuellen Fall ein 64-jähriger Mann aus einer Kaufbeurer Umlandgemeinde seine Verweigerungshaltung zu zwei amtlichen Bescheiden aus dem Jahr 2015. Dies allein wäre noch nicht strafbar gewesen. Allerdings hatte der Ostallgäuer auch noch versucht, die zuständigen Amtsträger mit Schadensersatzdrohungen zur Rücknahme der Bescheide zu nötigen.
In einem Fall handelte es sich um einen Bußgeldbescheid des Landratsamts wegen monatelangen Nichtbezahlens von Beiträgen zur Pflegeversicherung, im anderen um einen Vollstreckungsbescheid, aufgrund dessen ein Gerichtsvollzieher eine unbezahlte Rechnung in Höhe von 480 Euro eintreiben wollte.
In beiden Fällen hatte der Angeklagte Schreiben an die Amtsträger verschickt, in denen er sie zur Rücknahme des Bescheids aufforderte. Andernfalls, so drohte er, würden sie sich mit ihrem Privatvermögen schadensersatzpflichtig machen. Ein ähnliches Schreiben schickte er auch an den Richter, der seinen Einspruch gegen den oben genannten Bußgeldbescheid verworfen hatte.
In der Folgezeit war gegen den bis dato unbescholtenen Ostallgäuer ein Strafbefehl wegen versuchter Nötigung und versuchter Erpressung ergangen. Er sollte 4050 Euro zahlen. Dagegen erhob der Mann erfolglos Einspruch: Das jetzige Urteil entsprach exakt dem Strafbefehl.
Anders als im Fall des Aktenklaus, bei dem sich im Januar eine andere 'Reichsbürgerin' während einer Verhandlung , verlief das jetzige Verfahren völlig ruhig. Der Angeklagte war ohne die in solchen Fällen oft üblichen Unterstützer erschienen und wirkte eher verunsichert. Seine Androhung von Schadenersatz-Forderungen begründete er damit, dass dies 'nach Handelsrecht zulässig' sei.
Es gehe nicht darum, 'dass es nicht erlaubt wäre, abwegige Rechtsansichten zu äußern', sagte der Staatsanwalt. Wenn man allerdings Amtsträgern mit unberechtigten Schadensersatzforderungen drohe, dann sei dies strafbar.'
Der aktuelle Prozess wird wohl nicht das letzte Reichsbürger-Verfahren sein. Wie Pressesprecherin Dr. Claudia Kögel auf Anfrage unserer Zeitung erklärte, sind derzeit noch mindestens zwei weitere, ähnlich gelagerte Verfahren in Kaufbeuren anhängig.