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Justiz: Zigeunerjude

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Justiz: Zigeunerjude

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    menschen-unwürdig Republikaner wegen Beschimpfung von Friedman verurteilt. Von Michael Munkler Kempten'Sie wollten Schranken brechen, sie haben Schranken gebrochen und sind extrem weit über das Ziel hinausgeschossen', hielt Richter Joachim Redetzki dem früheren Kemptener Republikaner-Kreisvorsitzenden Hermann Reichertz in der Urteilsbegründung vor. Der 66-Jährige hatte in einer Presseerklärung den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, als 'Zigeunerjuden' bezeichnet und ist deshalb gestern vom Kemptener Landgericht zu einer Geldstrafe von 3000 Euro (100 Tagessätze zu je 30 Euro) verurteilt worden.

    Reichertz habe Friedman in seiner Menschenwürde verletzt und Schmähkritik geübt, stellte der Richter in der Urteilsbegründung fest.

    Im November 2000 hatte Reichertz die Presseerklärung verfasst, in der Friedman als 'Zigeunerjude' bezeichnet wird, 'der mit tiefem Hass und voller Inbrunst sein Gift verspritzt, gegen alles, was deutsch und rechts ist'. Zuvor hatte Reichertz in dem Schreiben alle anderen Parteien pauschal als undemokratisch beschimpft. Er habe den Text in großer Erregung und Verärgerung geschrieben, räumte der pensionierte Bundeswehr-Soldat gestern ein. Denn Friedman habe unmittelbar zuvor zu Protesten gegen den Republikaner-Parteitag bei Stuttgart aufgerufen.

    Reichertz erklärte, es sei nicht seine Absicht gewesen, den Vizepräsidenten des Zentralrats zu beleidigen. Aber: 'Ich wollte die Schranken etwas überschreiten und etwas aggressiver vorgehen'. Mit dem Begriff 'Zigeunerjude' habe er lediglich ausdrücken wollen, dass Friedman 'ein Herumreisender in Deutschland in Sachen Hetze gegen Rechts' ist.

    Im März 2001 war Reichertz vom Kemptener Amtsgericht wegen Beleidigung zu 6000 Mark (3068 Euro) Geldstrafe verurteilt worden. In einer Berufungsverhandlung aber wurde er überraschend freigesprochen, was zu bundesweiter Kritik am Kemptener Landgericht geführt hatte. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte das Freispruch-Urteil auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben und den Fall an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    Für Staatsanwalt Uwe Erlbeck bestand gestern kein Zweifel: 'Der Angeklagte wusste ganz genau, was er geschrieben hat' und wie die Wortkombination 'Zigeunerjude' wirken sollte ­ als Herabwürdigung und Schmähkritik. Der Verteidiger von Reichertz dagegen plädierte auf Freispruch und berief sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung. Allein die Kombination der Begriffe Zigeuner und Jude könne nicht strafbar sein.

    'Wir leben in einem Staat, in dem Juden vor 60 Jahren einen gelben Stern tragen mussten, verfolgt und massenhaft in den Tod getrieben wurden', erinnerte Richter Redetzki an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Und ein ganz ähnliches Schicksal sei den Zigeunern widerfahren. Auch heute gebe es in unserer Gesellschaft noch heftige Vorurteile gegen Zigeuner, Juden und andere Minderheiten. Aus diesem gesamten Zusammenhang ergebe sich die Bedeutung von Reichertz\' Beschimpfung und ihre Tragweite.

    Gegen das gestern ergangene Urteil kann Reichertz in Revision gehen. Sein Anwalt ließ eine Entscheidung noch offen. Er schimpfte, das Verfahren sei ein 'Schauprozess' mit 'absolutem Unrechtsurteil' gewesen.

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