Sozialwesen Neue Hochrechnung des Jugendamtes - Landratsamt fürchtet weiter steigende Kosten - Zu wenig auf Prävention gesetzt?">

Artikel: Jugendhilfe: Im Etat fehlen 2,3 Millionen Euro

22. Oktober 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Sozialwesen Neue Hochrechnung des Jugendamtes - Landratsamt fürchtet weiter steigende Kosten - Zu wenig auf Prävention gesetzt?

Von Ulrich Weigel |Sonthofen/OberallgäuBetretene Gesichter im Oberallgäuer Kreisausschuss: Die Jugendhilfe-Ausgaben steigen weiter explosionsartig: Statt eingeplanter 4,2 Millionen Euro fürchtet das Jugendamt nach Hochrechnung knapp 6,5 Millionen Euro Kosten - fast 2,3 Millionen Euro zu viel. Tatsächlich sind die Ausgaben noch höher, berücksichtigt man die 1,4 Millionen Euro fürs Personal.

Die Gründe sind vielschichtig, liegen in der Zunahme der Fallzahlen ebenso wie etwa in teureren Angeboten. Zudem wird es laut Jugendamtsleiter Martin Bartl immer schwieriger, Krankenkassen oder Arbeitsamt für Hilfemaßnahmen ins Boot zu holen. Und immer öfter hat das Jugendamt Probleme, eine Maßnahme wieder zu beenden, weil sich keine Besserung abzeichnet oder es keine geeignete Folgehilfe gibt. Ein Rückgang der Fallzahlen ist nicht in Sicht, da die geburtenstarken Jahrgänge als Jugendhilfeklientel erst bevorstehen.

Und bei den kleinen Kindern rechnet Bartl trotz rückläufiger Geburten damit, dass der Landkreis immer mehr für Kindergartenplätze zahlen muss. Zum einen, weil viele Menschen zu wenig verdienen, zum andern, weil die öffentliche Hand nach Gerichtsentscheidungen nun auch Essensgeld zahlen muss.

Die größten Sorgen machen Bartl die teuren Heimaufenthalte (bis zu 6448 Euro pro Monat und Fall) und Mutter/Kind-Einrichtungen (bis zu 5828). Denn wenn Eltern mit entsprechenden psychologischen Gutachten auftreten, komme das Jugendamt nur schwer um die teuren Hilfsmaßnahmen herum. Andernfalls wäre mit Klagen zu rechnen.

Im Gegensatz zu früheren Jahren sprachen nun Kreispolitiker nicht mehr vom Traum einer Kostensenkung, sondern dem Bestreben, die "eklatante Entwicklung" (Anton Klotz, CSU) einzudämmen. Der Vize-Landrat und Vorsitzende der Oberallgäuer Bürgermeister sagte weiter, man könne nicht alles der gesellschaftlichen Entwicklung zuschreiben, sondern habe eventuell auch zu wenig auf Prävention gesetzt. Er forderte mehr Schulsozialarbeit, auch an Grundschulen. Zudem sollen Familienbeauftragte in den Gemeinden die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt verbessern.

Die Familienbeauftragten könnten im Vorfeld besser hinschauen und selbst tätig werden, weil sie die Situation vor Ort kennen, ergänzte Jugendamtsleiter Bartl. Allerdings seien dazu in den Kommunen noch dicke Bretter zu bohren.