Ein goldgelbes Entenküken ist in die Odelgrube gefallen. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, um das Tier zu retten. Zur 'Feier des glücklichen Ausgangs' landet es in der Pfanne und schließlich auf den Tellern seiner Retter. Mit dieser grotesken Szene entließ Bierbichler sein Publikum aus dem Theater-Oben in Kempten in die Nacht. Ohne Kommentar, ohne Publikumsgespräch. So lautlos, wie er kam, trat der große Mime des deutschen Theaters und Films wieder ab.
Dazwischen erlegte er allerdings mit dem Beil und seiner derb-sinnlichen Sprache einiges, was so landläufig unter Heimat und Tradition im katholisch-ländlichen Alpenvorland verstanden wird. Auf persönliche Einladung von Theaterleiterin Nikola Stadelmann kam der 63-Jährige nach Kempten, um aus seinem 2011 erschienenen, viel beachteten Roman 'Mittelreich' zu lesen. Der Andrang war groß, und nicht alle ergatterten Karten.
Der kleinen Küken-Schlachtung ging eine größere Sau-Schlachtung voraus. 'Ich möchte endlich mal wieder eine erschlagen', sagt Zuber, der Schlächter, im Buch. Kaltes Grauen stellt sich spätestens ein, wenn im gleichen Atemzug beim jungen Semi, einem der Protagonisten, die Erinnerung an den sexuellen Missbrauch in einem katholischen Internat wieder emporbrodelt.
Doch Bierbichler wäre nicht Bierbichler wäre die Szene nicht auch saukomisch. Augenzwinkernd liest er Sätze wie die von der 'Transformation des Fleisches vom Lebewesen zum Nahrungsmittel.' Unsichere Lacher. Bierbichler schaut forschend ins Publikum und sagt: 'Das ist doch kein schlechter Satz?' Da ist der Schalk, der Spitzbub. Doch das Blitzen in den Augen ist auch gleich wieder verschwunden.
Erst liest er beinahe lakonisch. Mit rollenden Rs und rauchig dunklen Vokalen. Nur die Augenbrauen zucken, die großen Hände rudern. Als er über die Stammtischler liest,, ist ist der Schauspieler in seinem Element. Da spielt Bierbichler die alten Herren, die sich in ihrem Suff über die 'Katzelmacher' und 'Ithaker' das Maul zerreißen und eigentlich doch nur Angst haben, dass deren Lebensfrohsinn ihnen die Frauen wegnimmt. Dann tritt er leise ab von der kleinen Bühne. Erst am nächsten Tag merkt man, dass Bierbichler Spuren hinterlassen hat.
Las in Kempten: Josef Bierbichler. Foto: Sabine Sykora