Artikel: Jetzt schwingt eben der Hofnarr das Zepter

10. Januar 2003 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

Kein Prinzenpaar: Moosbacher machen aus Not eine Tugend

Sulzberg-Moosbach (mr). 'In geheimer Mission' sind sie unterwegs. Jedes Jahr und immer ab Ende September. Nicht mal die beiden Herzdamen Birgit und Margot wissen, wo diese Mission ihre beiden Männer gerade hintreibt: Normalerweise werden der Moosbacher Faschingsvereins-Präsident Rolf Hüttl und sein Stellvertreter Thomas Schneider auch bald fündig, aber in dieser Saison ist einfach der Wurm drin: Über 15 Paare haben die beiden 36 Jahre jungen Männer 'abgeklappert', rund 50 Stunden waren sie unterwegs, aber bisher wollte niemand vorübergehend in den Adelsstand erhoben werden. Wenn nicht in letzter Sekunde ein Wunder geschieht, wird daher die Moosbacher Faschingseröffnung am heutigen Samstag ohne Prinzenpaar ablaufen. Langeweile soll aber deswegen im Moosbacher 'Engel'-Saal nicht aufkommen. Der gesamte Hofstaat gibt am Samstag sein Stelldichein. Statt der üblichen Hoheiten werden allerdings ein Hofnarr und ein Hofmarschall in die Bütt steigen. Und Hüttl ist sicher: Beides sind Gaudi-Typen, die 'weit mehr als nur Lückenbüßer sein werden.'

Mitgefühl aus Dietmannsried Nach 1983 ist es heuer das zweite Mal in der 39-jährigen Geschichte ihres Faschingvereins, dass die Moosbacher ohne Prinzenpaar auskommen müssen. Mitfühlend gibt sich Manfred Müller, seit rund zwei Jahrzehnten Präsident der Dietmannsrieder Faschingsgesellschaft (FGD). 'Den Verantwortlichen ist in der Regel kein Vorwurf zu machen, manchmal kommen einfach mehrere unglückliche Umstände zusammen.' In der FGD stehe teils schon im Mai das neue Prinzenpaar fest. Einmal freilich seien die Narren nach einem Todesfall in der Familie der 'Auserkorenen' wenige Wochen vor der Präsentation ohne Prinzenpaar dagestanden. 'Wir hatten jedoch Glück, weil gleich das nächstbefragte Paar in die Lücke sprang', erinnert sich Müller. Der Präsident gibt dabei auch zu bedenken, dass in Dietmannsried mit seinen 8000 Einwohnern mehr Personen in Frage kämen als in Moosbach (500 Seelen). 'Wir haben manchmal auch erst kurz vor knapp Erfolg', kann Thomas Wollny (Elferrats-Mitglied des Faschingsvereins Oy) die Sorgen der Moosbacher nachvollziehen. Erfolgsrezept in Oy sei bislang die akribische Suche der Elferräte im Bekanntenkreis gewesen. Dabei haben die Oyer sogar ein echtes Kuriosum zu bieten: Vor Jahrzehnten habe ein Paar viermal hintereinander das Zepter geschwungen - absoluter Rekord. Und einem Aspiranten habe die närrische Regentschaft noch vor der Inthronisierung so auf den Magen geschlagen, dass er ins Krankenhaus musste, berichtet Wollny. Erst als ein anderer Prinz gefunden war, ließen die unerklärlichen Beschwerden nach. Der Bezug zum Faschingsverein oder zum Heimatort ist den Moosbacher Verantwortlichen ein großes Anliegen. 'Ein Aufruf über die Zeitung wäre darum nie in Frage gekommen,' so Präsident Hüttl. Weil er und sein Vize Thomas Schneider als schneidige Burschen mit diplomatischem Geschick gelten, kam in Moosbach niemand auf die Idee, den beiden das Fehlen der Regenten anzulasten. Die Gründe für die Absagen waren vielseitig: Berufliche Hemmnisse (etwa Schichtarbeit) wurden ebenso ins Feld geführt wie gebuchte Fernreisen, Hochzeits-Vorbereitungen oder die Betreuung des Nachwuchses. 'Etliche scheuten offenbar die öffentlichen Auftritte', ergänzt Hüttl. Das seit 1999 amtierende Führungs-Duo hatte anfangs noch vom Potenzial in den eigenen Reihen, sprich dem Elferrat, profitiert. 'Da sind wir jetzt durch - bis auf ein paar Junggesellen, die sich erst mal eine Partnerin suchen müssen', schmunzelt Hüttl. Und ein zweites Mal das Moosbacher Narrenvolk regieren - das wollte bisher nur einer machen: Josef Herz bildete 1967 mit Rita Mair das Prinzenpaar, 1974 übernahm er diese Aufgabe dann mit Ehefrau Emmi. Auch im nächsten Jahr wollen Hüttl und Schneider versuchen, das Prinzenpaar auf bewährte Manier zu gewinnen: Ohne Anmeldung 'überfällt' man die Kandidaten, um ihnen in den eigenen vier Wänden die Vorzüge des Titels schmackhaft zu machen. Mit guten Aussichten: Das eine oder andere Paar habe heuer bereits signalisiert, diesem Angebot 2004 nicht mehr widerstehen zu können