Von Veronika Krull Immenstadt Mehr als 6.000 Menschen in aller Welt verdanken ihr Leben einem Mann: Oskar Schindler. Der deutsche Industrielle und seine Rettungsaktion von über tausend Juden im dritten Reich wurden weltberühmt durch den Film Schindlers Liste, den Hollywood-Regisseur Steven Spielberg vor zehn Jahren drehte. Jetzt wurde das dreistündige Drama im Rahmen der Miteinander-Tage 2003 im Immenstädter Union-Filmtheater nochmals gezeigt. Unter den Besuchern: Mietek Pemper, Stenograph des KZ-Kommandanten Amon Göth und Mithelfer Schindlers. Pemper, der sich nach dem Film den (wenigen) Besuchern zu einem Gespräch stellte, wurde vor über 80 Jahren in Krakau geboren, lebte im Ghetto bis zur Räumung und wurde dann in das Arbeitslager Blaschow bei Krakau transportiert. Dort wurde der junge Mann als persönlicher Stenograph des Kommandanten Göth verpflichtet eine Aufgabe, die lebensgefährlich war, weil Göth auch Leute aus nächster Umgebung massakriert hat. Eine Woche lang Spielberg beraten Bereits wenige Tage nach seiner Ernennung nahm Pemper Verbindung mit Schindler auf, spielte ihm geheime Informationen zu und half so bei der Rettung von 1.100 Juden. Seine eigene Rolle sieht der Zeitzeuge eher bescheiden, obwohl Oskar Schindler später ausdrücklich die geretteten Menschen aufforderte: Dankt eurem unerschrockenen Stern (Buchhalter Schindlers, Anm.
d. Red.) und Pemper! Doch der polnisch-jüdische Stenograph, der heute in Augsburg lebt, ist sich sicher: Ohne Oskar Schindler, ohne seinen Mut, seine Bereitschaft, Risiken einzugehen, ohne seine Ideen und ohne seine Kontakte sei die Rettungsaktion nicht möglich gewesen. Pemper, der 1993 eine Woche lang die Dreharbeiten zu Schindlers Liste begleitet und Spielberg beraten hat, betonte in Immenstadt, dass der Film nicht alle Grausamkeiten zeigen könne. In Wahrheit sei Amon Göth viel grausamer gewesen. Doch Spielberg, dessen Mutter in einem Lager den Krieg überlebt hat, sei es mehr um den Kontrast gegangen, um die Gegenüberstellung von zwei Deutschen. Die Frage, warum er heute in Deutschland lebe, beantwortete Pemper so: Deutschland ist nicht nur das Deutschland eines Amon Göth, sondern auch eines Oskar Schindler. Seine Vorurteile gegenüber Deutschen habe er schon kurz nach Kriegsende überwunden. Er habe sogar ein Gnadengesuch für einen deutschen Ausschwitz-Arzt aufgesetzt, weil dieser sich in seinem Tagebuch von seinen Taten distanziert hatte. Woher hat er die Kraft genommen, die Zeiten als Befehlsempfänger des sadistischen Kommandanten durchzustehen? Pemper nannte es eine Art Trotzgefühl: Wenn man sich ungerecht behandelt fühlt, wachsen einem innere Kräfte, stärker zu sein als der Verfolger. Außerdem habe Göth keine unzufriedenen Leute in seinem Lager haben wollen: Deswegen seien auch immer die Angehörigen eines ermordeten Häftlings umgebracht worden. Für seine Eltern und den jüngeren Bruder hätte seine Auflehnung das sichere Todesurteil bedeutet. Seine Lehre aus dieser schrecklichen Zeit, so Mietek Pemper: Beurteile einen Menschen nicht nach seinem Aussehen oder seinen Affären, sondern nach seinem Handeln in schwierigen Situationen und danach, ob er sich den Titel Mensch verdient hat!