Neuerscheinung Die Kunst des Peter R. Müller findet erstmals in einem wunderbaren, repräsentativen Bildband Beachtung">

Artikel: Im Räderwerk der Assoziationen

8. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Neuerscheinung Die Kunst des Peter R. Müller findet erstmals in einem wunderbaren, repräsentativen Bildband Beachtung

Von Stefan Dosch |IrseeDieses Buch lag in der Luft. Peter Müller (kein Mensch spricht, wenn von ihm die Rede ist, das offiziell zwischen Vor- und Nachname eingeschobene Kürzel R) - Peter Müller gehört zu den bekanntesten bildenden Künstlern der Region, sein singulärer Umgang mit (Alt-)Metall weist ihm weit über die Region hinaus Bedeutung zu.

Doch musste erst ein Schweizer kommen, um aus der Tatsache, dass über diesen sprühenden Kunstwerker bisher nichts repräsentativ Gedrucktes vorlag, die Konsequenz zu ziehen. Nun hat die Not ein Ende, hat der Büchermacher Fritz Franz Vogel, ausgewiesen durch seine in Zusammenarbeit mit der Memminger Kunsthalle entstandenen Madlener- und Prestel-Publikationen, dem in Irsee lebenden Peter Müller endlich Gerechtigkeit verschafft.

"dieser verdammte Schrott und noch mehr!" ist, nicht nur wegen seines Titels, ein wunderliches Buch. Skizzen aus zwei Jahrzehnten verspricht die im Katalogformat auftretende Broschur auf dem Deckblatt, doch ist das viel zu kurz gegriffen.

Gewiss bilden Ausschnitte aus Müllers Skizzenbüchern den Hauptbestandteil, doch sind immer wieder Fotografien, die fertiggestellte Werke sowie den Künstler selbst zeigen, in die Abbildungsfolge eingestreut, einige Male sogar regelrechte Bildstrecken.

Doch noch ein Anderes prägt wesentlich den Charakter des Buches. Ob nun Skizze oder Foto, die Abbildungen sind nicht nur dröge nacheinander gelistet. Fritz Franz Vogel ist das Kunststück geglückt, im Aufbau und in der Gestaltung Müllers künstlerischen Charakter einzufangen, das rasch Entflammte, freudig Fortspinnende, oft Sprunghafte und immer wieder ironisch Quecksilbernde.

Das Wort "Skizze" hat eigentlich zu wenig Gewicht für das, was Müller über die Jahre hinweg in seinen Kladden festgehalten hat. Dabei sind es diese scheinbar achtlosen Striche und Tupfer, die den Auftritt des Gedankens festhalten, gewissermaßen den Prototyp jener geistigen Leistung darstellen, die ein Kunstwerk wesentlich ausmacht. Hier, in der Skizze, liegen die "Wagnisse" (Vogel), die der künstlerische Gedanke eingeht, noch offen zutage. Es ist spannend anzusehen, in welche Labyrinthe sich einmal aufgenommene Eindrücke verlieren, welche Wandlungen dabei vor sich gehen. Der Rest ist Handwerk.

Peter Müller skizziert keineswegs nur mit dem Stift. Nichts Greifbares ist vor ihm sicher, wenn das Räderwerk der Assoziationen bei ihm erst einmal in Gang gesetzt ist. Ein Stück Pappe in Form eine Körpersilhouette, zwei Nussecken in Form einer Raute darauf und darüber je ein Mohrenkopf links und rechts - fertig ist ein Frauenkörper. Ja, nicht nur die Skizzenbücher, auch Müllers Fotoarchiv birgt herrliche Fundstücke, gerade auch, weil man sieht, in welch hinterlistige Raumsituationen Müller seine Kunst gerne stellt. Der Lurch, der aus einem Sägeblatt gefertigt ist und, mitten auf einer Straße, die Zacken steil nach oben richtet, scheint nur darauf zu warten, dass ein praller Reifen um die Ecke biegt.

Wahrlich ein wunderliches, ach was, wunderbares Bilder-Buch, für das Herausgeber und Verlag keinen Aufwand gescheut und differenzierte Papierqualitäten sowie Ausklappseiten aufgeboten haben. Es weckt Begehrlichkeiten: Was Müllers Skizzen widerfuhr, sollte vollständigkeitshalber seinen ausformulierten Arbeiten zuteilwerden. Ins Werk gesetzt von Fritz Franz Vogel, versteht sich.

dieserverdammteSchrottund nochmehr! Skizzenbücher 1987 - 2007 von Peter R. Müller. Herausgegeben von Fritz Franz Vogel. Böhlau Verlag, Köln 2008, 29,90 Euro.