Für viele Westallgäuer sind die Meldungen über die gestern zu Ende gegangene Entführung von drei Deutschen im Jemen Nachrichten aus einer fernen, unbekannten Welt. Jürgen Kahle aus dem er Ortsteil Harratried hingegen erinnern sie an seine Zeit dort. Bis 2001 arbeitete er als Entwicklungshelfer vor Ort.
Nach seiner Pensionierung als Mathematiklehrer zog es Jürgen Kahle 1997 erstmals in den Jemen. Für das Land begeistert hatte ihn ein ehemaliger Schüler, der dort inzwischen leitender Mitarbeiter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) geworden war. Für die gleiche Entwicklungshilfe-Organisation arbeitet auch einer der drei jetzt im Jemen entführten und gestern freigekommenen Deutschen.
Beim inzwischen 77-jährigen Jürgen Kahle ist das Interesse am Schicksal der Entführten entsprechend groß. Und er weiß aus eigener Erfahrung, dass in dem arabischen Land nicht die Zentralregierung das wirkliche Sagen hat, sondern die Stammesfürsten. Mit ihnen mussten sich auch Kahle und sein ehemaliger Schüler Daniel Schiawo gut stellen, wenn sie das Land bereisen wollten.
Wirklich gefährliche Situationen hat er dabei nicht erlebt, wohl aber wurde ihm inmitten des Landes die Weiterreise verweigert. Es sei zu gefährlich, erklärte die örtliche Polizei.
Immer wieder erlebte er, dass die Jemeniten mehr Angst um ihn hatten als er selbst um sich: "Den Einheimischen passt überhaupt nicht, was in ihrem Land geschieht". Bei seinen Reisen durch den Jemen hatte Kahle stets jemenitische Begleitung - nicht zuletzt, weil Ausländern das Autofahren verboten ist. Eine seiner Touren führte Kahle auch nach Rada, also jene Stadt, in der die drei Deutschen entführt wurden. Er erlebte die Stadt als ungefährliches Gebiet. Allerdings grenzt es im Norden an das Ölfördergebiet des Landes. Das hat dem Land, im Gegensatz zum weiter nördlich angrenzenden Saudi-Arabien, allerdings keinen Wohlstand gebracht.

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Mit den Erlösen zahlt der Jemen die Kosten für die aufwendig gebaute Ölpipeline zum Indischen Ozean.
Mitgearbeitet hat Jürgen Kahle bei seinen Aufträgen von der GTZ am Wiederaufbau einer einst von der DDR im sozialistischen Südjemen errichteten und im Bürgerkrieg zerstörten technischen Lehranstalt. Er bildete die einheimischen Lehrer aus. Allerdings musste er die Erfahrung machen, dass die "Hilfe zur Selbsthilfe" nicht wirklich funktionierte. Mancher von ihm ausgebildete Lehrer nutzte seine Kenntnisse, um in einem der arabischen Nachbarländer Geld zu verdienen. Für Kahle prägend waren seine Eindrücke von der Mentalität der Jemeniten. "Sie haben keinerlei Ehrgeiz", resümiert er. "Ich kam nicht klar mit der fehlenden Motivation der meisten einheimischen Lehrer".
Zudem war die Verständigung schwierig. Kahle spricht kaum Arabisch, Englisch ist im Jemen kaum verbreitet.
Dennoch ist der eine oder andere Kontakt geblieben. Heute klappt das dank moderner Technik hervorragend: "E-Mail ist herrlich", stellt Kahle fest. Per Post dauerte ein Hin und Her von Briefen schnell einmal ein Vierteljahr. Wirklich freundschaftliche Kontakte sind es jedoch nicht: "Dazu ist die Mentalität einfach zu verschieden".